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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 14 Frisches Blut für X

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 14 Frisches Blut für X

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 14 Frisches Blut für X
Autoren: Martin Clauß
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die Schranken im Kopf niedergerissen hatte, gab es keine Grenzen mehr. Laut lachend kam er auf die Beine und ging mit schwungvollen, hüpfenden Schritten weiter.
    Bäume begannen aus dem Boden zu wachsen und die Blumen zu überschatten. Die Landschaft wurde unebener, unübersichtlicher. Er musste großen, mit Moos überwucherten Felsblöcken ausweichen, Wege einschlagen, die ihm die Natur vorgab. Es machte ihm Spaß, die Hände zu benutzen und zu klettern, immer höher hinauf. Jeder Schritt, jeder Griff saß. Nicht weil er geschickt oder geübt im Klettern gewesen wäre, sondern weil es in dieser neuen Welt nichts gab, was man falsch machen konnte. Er bewegte sich um den Berg herum, und schon bald war das Dorf außer Sicht.
    Angst, sich zu verlaufen, hatte er keine.
    Natürlich, die Schauergeschichten der Alten, die warnenden Verse, die man ihn als Kind hatte auswendig lernen und aufsagen lassen wie Nachtgebete, die eindringlichen Ermahnungen des Pfarrers ... alle klangen sie, als wartete der Berg jeden Tag, den der Herr gab, nur darauf, achtlose Wanderer in die Irre zu locken.
    Aber Veronika hatte die Engstirnigkeit der Gemeinde verhöhnt, indem sie ihm unter den Augen aller einen Blick voll leidenschaftlicher Verheißung zugeworfen hatte. Veit besaß ebenfalls den Mut, sich über die Fesseln der Tradition hinwegzusetzen. Der Berg war ein Berg, kein menschenfressendes Monstrum.
    Und wenn er das heute beweisen musste, dann war das eben so.
    Es war helllichter Tag – ein Vormittag, die ausgelassene Zeit nach dem Mittwochsgottesdienst. Man trug des Pfarrers Segen noch auf dem Körper, war unverwundbar.
    Der junge Mann mit den kräftigen dunkelblonden Haaren wurde immer stärker, je weiter er kletterte. Er zog sich mit Leichtigkeit an Felsvorsprüngen hinauf, schob sich auf schmalen Pfaden an den Berghängen entlang und gelangte zwischendurch an kurze ebene, bewaldete Stellen, die er rennend und laut lachend zurücklegte.
    Dann sah er die Geister.
    Es waren Geister – er konnte nicht einmal daran zweifeln.
    Durchscheinend und wabernd standen sie am Rand des Weges, die sanfte Brise trug Teile ihrer nebelhaften Körper davon, und die Sonne schoss sich auffächernde Strahlen durch sie hindurch. Sie standen einen Schritt im Abgrund, unter ihren Füßen nichts als Leere.
    Ihre Kleidung war uneinheitlich, schien verschiedenen Epochen und Ländern zu entstammen. Auch sie war Nebel, dichte Schwaden, die sich immer wieder neu herausformten.
    Drei Männer waren es. Während Veit sie mit offenstehendem Mund anstarrte, bewegten sie sich in einem Halbkreis um ihn herum. Sie hoben dazu ihre Füße nicht. Es war, als stünden sie auf einer sich drehenden unsichtbaren Scheibe. Eben noch waren sie vor ihm gewesen, nun hatten sie die Seite gewechselt. Versperrten ihm den Rückweg.
    „Weiter“, wehte eine Stimme zu ihm herüber. „Weiter ...“
    Und Veit riss sich los. Rannte wie von Sinnen. Immer weiter am Berg entlang, in Regionen, die nur selten ein Mensch betrat.
    Für die blauen Blumen hatte er keinen Blick mehr. Hunderte von ihnen wurden unter seinen schnellen Schritten zermalmt.

2
    Als Sir Darren begriff, dass man eine Suche nach ihm gestartet hatte, legte er eine falsche Fährte. Er fuhr bis nach Erfurt hinauf und stellte dort den Honda ab. Mit dem Zug wandte er sich dann wieder Richtung Süden, erreichte München, Rosenheim und schließlich Kiefersfelden. Die Grenze nach Österreich zu überschreiten, schien ihm zu riskant.
    Sobald man seinen Wagen gefunden hatte, würde sich die Suche für geraume Zeit auf Thüringen konzentrieren – falls es überhaupt so etwas wie eine Suche gab und nicht nur ein paar Schwarzweißkopien mit seinem Gesicht und seinem Namen darauf. Der Aufwand, den man für die Aktion betrieb, würde sich in engen Grenzen halten. Er war kein Verbrecher und kein weggelaufenes Kind, nur ein exzentrischer alter Engländer, der nicht an seinen Wohn- und Arbeitsplatz zurückgekehrt war, kaum mehr als ein ausgerissenes Haustier. Sein Foto hing bei einigen Polizeidienststellen zwischen Mördern, Räubern und Gewaltopfern, und vielleicht hatte man dem Zoll auch eine Handvoll Kopien geschickt. Für den Fall, dass sie nicht im Posteingang liegengeblieben waren, war es klüger, sich einige Zeit von Zollbeamten fernzuhalten.
    Im ersten Moment hatte er darüber nachgedacht, in einer Großstadt unterzutauchen, auf die Anonymität der Massen zu hoffen. Doch diesen Gedanken gab er rasch auf. Mochte ihn auch die Polizei
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