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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt
Autoren: Martin Clauß
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wollte eine weitere Frage stellen, überlegte es sich jedoch anders und meinte: „Okay. Ich bin einverstanden.“ Der Gedanke, noch länger auf einen Spender warten zu müssen, machte ihn nervös. Die letzten Tage waren eine Tortur gewesen, vor allem jene nach dem rätselhaften Fund in seinem Schrank. Wenn er den Film nicht bald zu Gesicht bekam, verlor er womöglich den Verstand. Und dafür gab es keinen Spender.
    Jetzt wollte, konnte er sich keine Zeit mehr lassen.
    Während der Arzt ihn über tausend unwichtige Dinge informierte (wie die Hornhaut des Spenders geprüft, entfernt, in einer Nährlösung mit antibiotischen Stoffen gelagert und bei der Operation eingesetzt wurde), versuchte er zu erraten, was er sehen würde, wenn der Eingriff erst vorüber war.
    Dieser Film war aus dem Nichts aufgetaucht.
    Er würde das sein, worauf er sein Leben lang gewartet hatte.
    Auch wenn er noch nicht wusste, was das war.

8
    Die Operation am folgenden Morgen verlief ohne Zwischenfälle. Ekaterini saß an Piets Bett, als dieser in mehreren Anläufen aus der Narkose erwachte. Noch konnte er nichts sehen, und das versetzte ihn für einen Moment in Panik.
    Obwohl Dr. Fischer ihm deutlich gemacht hatte, dass es selbst unter den günstigsten Umständen mehrere Tage dauern würde, ehe er seine Sehkraft wieder zurückgewonnen hatte, konnte er nicht anders, als sich betrogen zu fühlen. Er bereute es, dem Eingriff zugestimmt zu haben. Er wusste, dass dieses Gefühl ihn nicht verlassen würde, ehe er die Brauchbarkeit seiner neuen Augen an dem mysteriösen Film getestet hatte, der in seinem Tresor auf ihn wartete.
    Bereits am Abend entließ man ihn, und Piet, der den ganzen Tag geschlafen hatte, verbrachte eine scheußliche schlaflose Nacht zu Hause neben Ekaterini.
    Er erinnerte sich an das etwas derbe Gesicht seiner Frau. Eine Schönheit war sie nie gewesen – ihr Körperbau war grobknochig, ihr Gesicht breit, ihrem ganzen Erscheinen fehlte es an femininem Liebreiz. Und doch hatte er sich von ihr angezogen gefühlt, auch von ihrem Äußeren. Ihr haftete eine enorme Präsenz an, eine Ausdruckskraft, die der der besten Schauspielerinnen nahe kam. Wenn sie unter vielen Menschen war, ging sie niemals in der Menge unter, sondern wurde stets wahrgenommen. Auch wer sie nur einmal kurz gesehen hatte, konnte sie beschreiben. Hinter ihren einfachen Zügen verbarg sich etwas sehr Individuelles. Piet hatte das immer an ihr bewundert. Vielleicht war es diese Eigenschaft von ihr, die ihn an diese Wirklichkeit gebunden und verhindert hatte, dass er schon längst vollkommen in die seine eingetaucht war.
    Jetzt sehnte er sich nicht mehr danach, sie wieder zu sehen. Er brauchte diesen Anker in dieser Welt nicht mehr. Er würde einen Anker in der anderen haben – den Film.
    Ohne ihn gesehen zu haben, ahnte er, dass der Film nach seiner Frau die zweite große Liebe in seinem Leben sein würde. Jene, die bleiben würde.
    Am Morgen schmerzten und tränten seine Augen, und er nahm eine von den Schmerztabletten, die Dr. Fischer ihm gegeben hatte.
    Er konnte den Morgen kommen sehen!
    Er hatte darauf bestanden, die Läden und die Vorhänge nicht zu schließen, damit er so früh wie möglich merkte, wenn sein Augenlicht zurückkehrte. Und als gegen sieben Uhr der Morgen anbrach, sah er ihn tatsächlich. Die schwarze Wand begann sich aufzulösen.
    Wahnsinnig vor Freude tastete er sich in das Untergeschoss, schloss sich in seinem Labor ein, nahm den Film aus dem Tresor und schaltete sämtliche Lichtquellen ein. Noch konnte er nicht erkennen, was auf dem Film war. Vor seinen Augen verschwamm alles zu einem unscharfen Brei. Aber er konnte die glänzende metallische Box sehen, die Filmrolle darin.
    Stundenlang saß er dort und ignorierte das Klopfen und Rufen seiner Frau.
    Gegen Mittag ging er nach oben und fragte nach etwas zu Essen. Ekaterini war halb besorgt, halb beleidigt, und es wurde kein angenehmes Mittagessen. Sie warf ihm vor, sich egoistisch zu verhalten. Er mache sich keine Vorstellung davon, welche Sorgen sie litt, sagte Ekaterini.
    Da hatte sie Recht. Er hatte keinerlei Interesse, sich eine Vorstellung davon zu machen.
    „Was passiert ist, hat dich nur noch verbohrter gemacht“, behauptete sie. „Dabei wäre es ein guter Anlass gewesen, dich zu ändern.“
    „Hast du diese Bombe werfen lassen?“, fragte er taktlos, und Ekaterini verschwand mit polternden Schritten aus dem Zimmer. Er konnte sie sogar sehen, ihren breiten Körper, das Dunkel
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