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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt
Autoren: Martin Clauß
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auch die märchenhafteste Handlung als wahr hinnahm.
    Tagelang suchte er nach dem Sinn des Filmes und seines eigenen Schicksals, und erst, als er keinen Sinn fand, erinnerte er sich seines Berufes.
    Wenn der Film bei ihm aufgetaucht war, dann, weil er ihn restaurieren sollte.
    Er hatte keine Erfahrung mit diesem Material, wusste nicht, wie es reagieren würde. Möglicherweise würde er einen Teil davon zerstören, ehe er Erfolge erzielte. Er wusste nicht, ob dies in Frage kam. Ebenso wenig wusste er, ob man von ihm erwartete, dass er eine Kopie anfertigte, oder ob er an das Original Hand anlegen sollte. Es würde ihm auf keinen Fall gelingen, eine Kopie in diesem Material herzustellen.
    Fieberhaft machte er sich an die Arbeit. Es gab viele Unbekannte, und er hatte niemanden, den er fragen konnte, ja, niemanden, mit dem es sich darüber zu diskutieren lohnte. Aber er hatte einen Vorteil, den er niemals zuvor in seinem Beruf gehabt hatte.
    Er brauchte nur die Augen zu schließen und zu träumen – schon hatte er den Film vor Augen, gestochen scharf, wie er einmal ausgesehen hatte.
    Im Laufe der Zeit kannte er die einzelnen Szenen auswendig. Er sah, dass die vermeintlichen Affen tatsächlich mehr als nur Affen waren – sie besaßen komplexe Werkzeuge, und die Jagden, die sie durchführten, ließen Planung und Strategie erkennen.
    Blutige Szenen waren besonders zahlreich. Es vergingen keine zehn Sekunden, ohne dass nicht einer der Urmenschen oder ein Tier schwer verletzt wurde oder sein Leben ließ. Das Rot des Blutes beherrschte nahezu jede Szene. Erst in der Schlussphase, als das Geschöpf, das die Kamera in sich trug, in den Fluss stürzte und ertrank, fehlte dieses Rot. Ein kaltes, eisiges Blau färbte diese letzte Szene ein, und es ging über in undurchdringliche Finsternis.
    Im Originalfilm fehlte es diesen Aufnahmen an Farbtiefe. Vor allem die warmen Farben waren verschwunden, das Rot des Blutes und das Braun der Bärenfelle zu schmutzigen Abstufungen von Grau geworden. Außerdem waren die Konturen teilweise verschwommen, teilweise lagen sie in mehreren Schichten nebeneinander, und man hatte beim Betrachten das Gefühl zu schielen.
    Piet war überzeugt davon, es mit keinen Tricks zu tun zu haben. Er wusste nicht, wie es möglich war, aber er war sicher, dass jemand diesen Film live und vor Ort gedreht hatte. Wer dies getan hatte und wie es bewerkstelligt worden war, dafür hatte er keine Erklärung. Seine Erfahrung mit Filmen sagte es ihm einfach.
    Dies war kein Spielfilm.
    Es war ein Originaldokument. Es zeigte die Welt, wie sie vor Zehntausenden von Jahren gewesen war.
    Vielleicht hatte ein Zeitreisender diese Szenen aus der Erinnerung eines der damals lebenden Menschen gestohlen. Vielleicht waren die Informationen in Piets Genen gespeichert und waren nun auf einem für ihn unverständlichen Weg an die Oberfläche gekommen. Ja, vielleicht hatte er selbst diesen Film auf irgendeine abstruse Art und Weise geschaffen.
    Es gab viele Erklärungsansätze. Keiner würde für einen Menschen Sinn machen, der noch an seinem alten Weltbild hing. Daher hatte er es weggeworfen.
    Drei Wochen lang lebte er dieses Leben.
    Dann erst holte man ihn aus seiner Abgeschlossenheit heraus.
    Seine Frau hatte lange gehofft, er würde sich wieder fangen. Sie wusste nicht, was im Untergeschoss des Hauses vor sich ging. Sie wusste nichts von dem Film, der aus dem Nichts aufgetaucht war und das Wachen und Träumen ihres Mannes beherrschte. Sie hatte angenommen, er habe sich einfach in seine Arbeit verkrochen und würde sich wie besessen abmühen, um die Zeit, die er durch seine Augenprobleme verloren hatte, wieder aufzuholen.
    „Ich denke“, erzählte Ekaterini der Polizei, kurz bevor die Beamten die schwere Metalltür mit Schneidbrennern öffneten, „er muss Angst haben, dass er sein Augenlicht eines Tages ganz verliert, und deshalb arbeitet er so verbissen. Aber ich weiß nicht einmal, ob er noch am Leben ist.“
    Piet Dochtermann war am Leben. Aber seine Frau hätte ihn wohl kaum wiedererkannt, wenn sie ihm auf der Straße begegnet wäre.
    Ein dichter Bart bedeckte die untere Hälfte seines Gesichts. Seine Haut war blass, seine Haare ungewaschen, seine Augen gerötet. Er stank nach Schweiß und hatte einiges an Gewicht verloren. Er starrte den Beamten ungläubig entgegen, die sich gewaltsam Zutritt zu seinem unterirdischen Reich verschafften.
    „Nein!“, keuchte er. „Ich bin noch nicht fertig. Noch lange nicht.“
    Er versuchte,
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