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Falkengrund Nr. 32

Falkengrund Nr. 32

Titel: Falkengrund Nr. 32
Autoren: Martin Clauß
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Nase rote Blasen schlagend. Die Toiletten waren überfüllt von Menschen, die die Farbe aus ihrer Kleidung zu waschen versuchten. Die Seife war rasch alle, und es kam zu Keilereien darüber, wer die Waschbecken benutzen durfte.
    „Große Medienereignisse locken nun einmal Wahnsinnige an“, versuchte jemand Dunstey zu beruhigen. „Wir können froh sein, dass sie keine Waffe hatte. Deine Wachleute haben allerdings keine gute Figur gemacht.“
    Dunstey murmelte etwas von „fristlos entlassen“.
    „Tja, im Moment sieht es wie eine Katastrophe aus. Aber du wirst sehen – am Ende wird es gute Publicity sein, für alle Beteiligten, und besonders für dich.“
    Ähnliche Gespräche gab es in allen Teilen der Halle. Niemand ging nach draußen. Niemand sprach von den grüngekleideten Menschen im Garten. Sie alle schienen sich in der Villa sicherer zu fühlen, und es dauerte eine halbe Stunde, bis der erste den Heimweg antrat.
    Es war Nevin MacNorras. Und er fuhr nicht alleine.
    Neben ihm auf dem Beifahrersitz des schwarzen Bentleys hatte eine junge Frau platzgenommen. Sie kuschelte sich in den geräumigen Sitz und blinzelte halb müde, halb aufgedreht vor sich hin.
    Der Designer hatte ihr angeboten, auf den Schrecken bei ihm zu Hause noch einen traditionellen Tee zu trinken, und Mama hatte nicht abgelehnt.
    Während der Fahrt durch die nächtlichen Vororte Londons schwieg MacNorras. Erst, als sie sich nach einer halben Stunde seinem Landhaus näherten, sagte er: „Das in Dunsteys Garten vorhin, das waren die Sith. Man hat mir als Junge davon erzählt, aber bis zum heutigen Tag habe ich sie nie mit eigenen Augen gesehen.“
    „Und wer ist das – die Sith?“
    „Elben“, antwortete er. „Das alte Volk.“
    Da er in keinster Weise erschrocken oder überrascht wirkte, und auch nicht so, als habe er einen Scherz gemacht, schloss Mama, dass es sich um ein Missverständnis ihrerseits handelte und er etwas ganz anderes meinte, als sie verstanden hatte. Deshalb hakte sie nicht weiter nach.
    Aber sie vergaß nicht, was sie gesehen hatte. Und in den folgenden Tagen wünschte sie sich manches Mal, sie hätte nachgefragt.

3
    Am kommenden Morgen erwachte Mama in einem breiten Bett. Im nach Osten gewandten Fenster stand gleißend die Sonne – auf der Scheibe war kein Stäubchen zu sehen. Sie schwang ihre Beine heraus und staunte über das Nachthemd, das sie trug. Es war prachtvoll und von dunklem Bordeaux, beinahe schwarz, um den Kragen herum mit goldenen Stickereien, als wäre sie eine wohlhabende Dame. Sie lief aus dem Zimmer hinaus und prallte auf Nevin, der seiner pummeligen Köchin beim Decken des Frühstückstisches zur Hand ging. Erst jetzt bemerkte sie den Druck in ihrem Kopf und berührte ihre Stirn.
    „Edler schottischer Whisky“, meinte der Designer, „ruft im allgemeinen keine Kopfschmerzen hervor. Es sei denn, man trinkt beim ersten Mal gleich drei Gläser davon …“
    „Habe ich …“ Mama stockte und schüttelte den Kopf, was dazu führte, dass sich der Raum um sie drehte und nicht mehr anhielt. Sie musste sich am Türrahmen festhalten. Der Mann eilte herbei und führte sie zum Stuhl, ganz Gentleman. „Danke, Mr. MacNorras“, brabbelte sie.
    „Nevin“, korrigierte er streng. „MacNorras ist eine Marke.“
    Sie war erstaunt darüber, wie natürlich sich die Situation von diesem Punkt an weiterentwickelte. Während des Frühstücks sprachen sie über tausend Dinge, nur nicht über die Ereignisse des Vorabends. Mama verschmähte die geleeartigen Würstchen und den fettigen Speck, verschlang dafür zwei Eier und einen ganzen Stapel Toast mit Orangenmarmelade. Nevin lud sie zu einem Spaziergang durch die Umgebung ein. Da sie bei der Herfahrt fast nichts gesehen hatte, war es, als hätte jemand all das aufgebaut, während sie schlief: die kleine, lichtdurchflutete Villa mit den Terrassen und riesigen Fenstern, den sanft abfallenden Hügel mit dem frisch geteerten schwarzen Weg, und natürlich die Ansammlung einfacher Häuser unten im Tal, die das Ziel ihres Spaziergangs wurde.
    „Der Ort hat mich an meine Heimat in den Lowlands erinnert. Man hat das Gefühl, London liege von hier aus am anderen Ende der Welt, dabei sind es keine vierzig Kilometer.“ MacNorras’ Laune war blendend wie das Wetter, die Zurückhaltung, die er auf der Party gezeigt hatte, wie weggeblasen. „Mama“, sagte er nach einer Weile. „Ich mag dich.“
    Sie sah ihn mit einem unsicheren Lächeln an.
    „Ich sage das als ein Designer
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