Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)

Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)

Titel: Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
Autoren: Ina Linger
Vom Netzwerk:
gab nur wenige Tropfsteinhöhlen im Tunnelsystem des Berges Kesharu und jede war in sich einzigartig und damit leicht wiederzuerkennen. Weit weg war der Junge nicht. Er war seinem Ziel und damit auch dem Bestehen der Prüfung sogar erstaunlich nahe gekommen – und das in einem bewundernswert kurzen Zeitraum. Was hatte ihn nur abgelenkt, in dieses schwarze Loch des seelischen Kummers geworfen? Und wieso nur hatte das ausgerechnet jetzt passieren müssen, zu dem Zeitpunkt, zu dem Nefian seine Erwartungen schon beinahe erfüllt gesehen hatte?
    Die Götter hatten es wohl so gewollt, hatten sich eingemischt, um ihn zu mahnen, sich nicht von seinen eigenen Wünschen und Hoffnungen tragen zu lassen. Er sollte objektiv bleiben und weiterhin die Eignung des Jungen für die anstehenden schwierigen Aufgaben gewissenhaft und gründlich testen. Er durfte sich nicht von seinen Gefühlen leiten lassen, musste ruhig und geduldig bleiben.
    Das Schluchzen des Kindes hallte jetzt nicht mehr nur in seinem Geist wieder, sondern nun auch durch den Gang, durch den sich Nefian bewegte. Nur wenige Atemzüge später trat er in die kleine Tropfsteinhöhle, in der der Junge zusammengesunken am Boden saß. Seine schmalen Schultern zuckten heftig und immer wieder ließ ein Zittern seinen zarten Körper sichtbar erbeben. Nefian blieb stehen. Er kämpfte mit aller Macht die starke Welle des Mitgefühls nieder, die ihn mit sich reißen und dazu bewegen wollte, zu dem Kind zu eilen, es fest in die Arme zu schließen und ihm zu versprechen, das alles wieder gut werden würde. Er durfte so etwas nicht tun, musste Distanz wahren. Der Junge war nur sein Lehrling, so wie viele andere zuvor. Er durfte keine tiefere Bindung zu ihm aufbauen, ihm weder Freund noch Familie sein – auch wenn es genau das war, wonach sich das Kind so sehr sehnte; das, was es eigentlich brauchte.
    Die Aufruhr, die der Anblick des Jungen heraufbeschworen hatte, legte sich wieder und Nefian fand zu seinem alten, in sich ruhendem Selbst zurück. Ganz langsam ging er auf das Kind zu, blieb dann direkt hinter ihm stehen und wartete darauf, das Noema ihn wahrnahm.
    Ein paar Sekunden lang geschah nichts. Der Junge weinte und schluchzte nur weiter und Nefian glaubte schon, dass er sich in dem Kind getäuscht, seine Fähigkeiten maßlos überschätzt hatte. Doch dann vernahm er auf einmal seine Stimme, ganz leise, stockend … gebrochen.
    „Alles … alles stirbt …“
    Nefian wollte erleichtert aufatmen, doch die Worte des Jungen verwirrten ihn und er trat an seine Seite, um sich neben ihm niederlassen und ihm ins Gesicht sehen zu können. Allerdings war dies nicht so leicht, denn Noema hielt seinen Kopf weiterhin gesenkt, stützte sich mit dem Kinn auf seine übereinander verschränkten Hände und weinte in sich hinein. Das Haar fiel ihm in die Stirn und machte es zusätzlich schwer, sein Züge zu erkennen, mehr aus ihnen zu lesen als die alles überschattende Trauer und Verzweiflung.
    „Was stirbt, Noema?“ fragte Nefian sanft und strich ihm ein paar der widerspenstigen Locken hinter das Ohr.
    „A-alles“, schluchzte das Kind und presste seine Fäuste noch fester an seine Brust. „A-alle … lassen mich … allein …“
    Nefian runzelte die Stirn, während er die Hände des Jungen genauer betrachtete. Er hatte sich zuvor nicht getäuscht: Noema hielt etwas in den Händen, etwas Buntes … Felliges. Oder waren das Federn?
    „Was hast du da?“ wollte er wissen und bemühte sich, seine Stimme nicht zu streng, aber auch nicht zu mitleidig klingen zu lassen.
    Noema antwortete nicht, wiegte sich stattdessen nur vor und zurück, weiter in sich hineinweinend.
    „Noema …“ Nefian legte behutsam eine Hand auf die des Jungen. Sein kleiner Körper erbebte ein weiteres Mal und mit einem herzzerreißenden Schluchzen nahm er die Hände von seiner Brust und öffnete sie. In ihnen lag ein kleiner bunter Vogel, dessen Beine sich steif in die Luft reckten. Er musste schon längere Zeit tot sein, hatte sich in den Gängen des Labyrinths verirrt und war in seiner Panik gegen eine der Wände geflogen und verschieden.
    „Hast du den hier gefunden?“ fragte Nefian und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihn das Verhalten des Kindes mehr und mehr verwunderte.
    Noema nickte flüchtig und presste das tote Tier wieder an seine Brust. „Er kommt nie wieder … nie wieder zurück“, krächzte er und zog die Nase hoch. Ihm war anzumerken, dass er mit sich kämpfte, versuchte, seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher