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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition)
Autoren: Daniel Kehlmann
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Lindemann.
    Iwan starrte zur Bühne empor.
    «Dein Vater. Ist er das?»
    Iwan sah Arthur an, sah zu Lindemann, sah wieder zu Arthur. Dann nickte er.
    «Wollen Sie zu mir kommen, Arthur?»
    Arthur schüttelte den Kopf.
    «Sie glauben, Sie möchten nicht. Aber Sie möchten. Glauben Sie mir.»
    Arthur lachte.
    «Es tut nicht weh, es ist nicht gefährlich, es könnte Ihnen sogar gefallen. Machen Sie uns die Freude.»
    Arthur schüttelte den Kopf.
    «Gar nicht neugierig?»
    «Bei mir funktioniert es nicht!», rief Arthur.
    «Vielleicht nicht. Das kann schon sein, das gibt es. Umso eher könnten Sie heraufkommen.»
    «Nehmen Sie jemand anderen.»
    «Aber ich will Sie.»
    «Warum?»
    «Weil ich es will. Weil Sie glauben, Sie wollen nicht.»
    Arthur schüttelte den Kopf.
    «Kommen Sie!»
    «Geh schon», flüsterte Eric.
    «Das ist doch interessant», flüsterte Martin.
    «Alle schauen uns an», flüsterte Iwan.
    «Na und!», sagte Arthur. «Sollen sie schauen. Warum ist Kindern immer alles peinlich?»
    «Sagen wir es gemeinsam!», rief Lindemann. «Schicken Sie ihn mir herauf, zeigen Sie es ihm, klatschen Sie, wenn er kommen soll. Klatschen Sie laut!»
    Wilder Applaus brach los, ein Trampeln und Schreien, als gäbe es plötzlich für niemanden etwas Wichtigeres als die Erfüllung von Lindemanns Wunsch, als könnte keiner sich größeres Glück vorstellen, als Arthur auf der Bühne zu sehen. Der Lärm schwoll immer weiter an, immer mehr Stimmen mischten sich hinein: Die Leute klatschten und brüllten. Arthur rührte sich nicht.
    «Bitte!», rief Eric.
    «Bitte, geh», sagte Martin. «Bitte!»
    «Nur für euch», sagte Arthur und stand auf. Durch die johlende Menge arbeitete er sich zum Mittelgang vor, dann ging er zur Treppe und stieg empor. Lindemann machte eine schnelle Handbewegung, der Lärm erstarb.
    «Bei mir haben Sie Pech», sagte Arthur.
    «Kann sein.»
    «Es geht wirklich nicht.»
    «Dieser nette Junge. Das war Ihr Sohn?»
    «Es tut mir leid, ich bin nicht der Richtige. Sie möchten jemanden, der erst einmal verlegen ist und dann mit Ihnen plaudert und etwas über sich erzählt, worüber Sie dann einen Scherz machen können, damit alle lachen. Wollen wir das nicht überspringen? Sie können mich nicht hypnotisieren. Ich weiß, wie das funktioniert. Etwas Druck, etwas Neugier, der Wunsch dazuzugehören, die Angst, etwas falsch zu machen. Und natürlich die Sehnsucht nach einem Erlebnis. Aber nicht bei mir.»
    Lindemann schwieg. Seine Brillengläser glänzten im Scheinwerferlicht.
    «Können die uns hören?» Arthur zeigte auf die drei reglosen Körper.
    «Sie sind mit anderem beschäftigt.»
    «Und das möchten Sie mit mir auch machen? Ein anderes Leben?»
    Iwan fragte sich, wie sein Vater es anstellte, dass man jedes seiner Worte verstand. Er hatte kein Mikrophon, und er sprach leise; dennoch hörte man ihn deutlich. Gelassen stand er da, als wäre er allein mit dem Hypnotiseur und dürfte fragen, was immer ihm einfiel. Auch sah er nicht mehr geistesabwesend aus. Es schien ihm Spaß zu machen.
    Lindemann dagegen wirkte zum ersten Mal unsicher. Er lächelte noch, aber auf seiner Stirn lagen Falten. Mit spitzen Fingern nahm er die Brille ab, setzte sie wieder auf, nahm sie von neuem ab, faltete sie und schob sie hinter das grüne Stecktuch in seine Brusttasche. Er hob die rechte Hand und hielt sie über Arthurs Stirn.
    «Sehen Sie auf meine Hand.»
    Arthur lächelte.
    Lindemann legte seine Linke auf Arthurs Schulter. «Sehen Sie auf meine Hand, sehen Sie darauf, sehen Sie, sehen Sie auf meine Hand.»
    «Mache ich doch.»
    Ein Kichern ging durch den Saal. Lindemanns Miene verzog sich für einen Moment. «Sehen Sie auf meine Hand, sehen Sie, sehen Sie auf meine Hand. Nur darauf, auf nichts anderes, nur auf die Hand.»
    «Ich merke nichts.»
    «Das müssen Sie auch nicht.» Lindemann klang gereizt. «Nur schauen! Auf die Hand schauen, auf die Hand, sonst nichts.»
    «Sie richten das Bewusstsein auf sich selbst, oder? Das ist der Trick. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die Aufmerksamkeit. Darauf, wie sie sich auf sich selbst richtet. Eine Schleife, und plötzlich kann man nicht mehr –»
    «Sind das da unten Ihre Söhne?»
    «Ja.»
    «Wie heißen sie?»
    «Ist das wichtig?»
    «Wie sie heißen.»
    «Iwan, Eric und Martin.»
    «Iwan und Eric?»
    «Die Ritter der Tafelrunde.»
    «Erzählen Sie über sich.»
    Arthur schwieg.
    «Erzählen Sie über sich», wiederholte Lindemann. «Wir sind unter Freunden.»
    «Da gibt es
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