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Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f
Autoren: Maria Beaumont
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nun die zweite Phase erreicht. Zeit für einen Managerwechsel.«
    Ich sah ihn ausdruckslos an.
    »Also schön, also schön ... Sie wollen die Wahrheit hören, Charlie? Lydia war eine gute Managerin. Verdammt gut.«
    So würde ich es zwar nicht ausdrücken, aber wie bereits erwähnt, erschien mir der Zeitpunkt für derlei Details ungeeignet.
    »Das einzige Problem sind ihre verfluchten Augen. Dieses Schielen hat mich immer total irritiert«, sagte er weiter. »Meine Nackenmuskulatur ist schon ganz verspannt, weil ich jedes Mal den Kopf nach hinten drehe, wenn Lydia mit mir spricht. Richtig unheimlich, dieser Blick.«
    Ich war schockiert. Ich konnte nicht glauben, dass Jamie, unseren Herrn und Meister, dasselbe an Lydia störte wie Daniel und mich. Ich meine, schließlich sind es nicht nur sieben Stockwerke, die uns Einzeller von Jamie, dem großen weißen Hai, trennen. Jamie war schon auf der Titelseite sämtlicher Fitnessmagazine, von Management Today (anlässlich seiner Auszeichnung als Unternehmer des Jahres) sowie von Heat (anlässlich seiner Herumknutscherei mit Ulrika Jonsson - aber mit wem hat Ulrika nicht herumgeknutscht?). Außerdem gibt er für seine Anziige mehr Geld aus, als er mir und Daniel an Gehalt bezahlt. Und trotz seines Geldes, seiner Macht und seines Einflusses verursacht ihm Lydias Blick Unbehagen.
    »Egal, Charlie«, sagte er weiter, »ich frage Sie nun: Sind Sie bereit dafür?«
    Wofür?
    »Ich ... glaube ... schon«, antwortete ich.
    »Gut, ich habe Sie nämlich beobachtet. Sie waren noch ein richtiger Backfisch, als Sie bei uns angefangen haben, und Sie sahen schlimm aus. Und nun sehen Sie sich an. Sie haben sich wirklich gemacht.«
    Tatsächlich? Nun, meine Haare sind jetzt länger - mit der freundlichen Unterstützung von Sheena bei Hair We Go in Finsbury Park -, und ich habe nicht mehr so viele Pickel wie früher, die ich zudem mehr oder weniger überschminken kann, seit ich diesen großartigen Abdeckstift von Clarins entdeckt habe. Aber trotzdem würde ich meine Verwandlung nicht als radikal beschreiben. Doch ich hielt es nicht für den richtigen Zeitpunkt, um zu diskutieren. Ich versuchte zu lächeln, aber Gott allein weiß, was für ein Gesicht ich dabei machte. Meine Gesichtsmuskeln waren wie gelähmt. Ein weiteres Symptom meiner Nervosität.
    »Das hätte ich schon viel früher tun sollen«, fuhr Jamie fort. »Wissen Sie, Charlie, Sie verkörpern The Zone mit Leib und Seele. Sie haben Ähnlichkeit mit Victoria Beckham, bis auf die Nase. Und mit Angelina, nur ohne dicke Lippen. Ja, das Aussehen stimmt. Fragt sich nur noch, ob Sie die Rolle spielen können.«
    Meinte er eben Angelina Jolie? Ich? Wie Lara Croft? Der Vergleich haute mich um, und ich fragte mich unwillkürlich, ob er vielleicht mit jemand anderem redete - eine Folge der Zusammenarbeit mit Lydia, nahm ich an, dennoch drehte ich mich vorsichtshalber um. Nein, außer ihm und mir war niemand im Raum.
    Erst dann fiel bei mir der Groschen. All die Jahre, in denen ich so tat, als würde ich vorbildliche Arbeit leisten, sobald Jamie oder Lydia in der Nähe waren, hatten den Eindruck erweckt, ich würde tatsächlich vorbildliche Arbeit leisten. Ich konnte es nicht glauben. Ich bin nicht besonders ehrgeizig, aber jetzt, da man mir den Managerposten anbot, war ich total happy.
    Während Jamies Worte langsam in mich hineinsickerten, begann ich vor Begeisterung innerlich zu jubeln. Allerdings nicht ganz so innerlich, wie ich wollte. In ein paar Jahren, wenn man mich zur Geschäftsfrau des Jahres kürt und ich an den Moment zurückdenke, als ich mit dieser Beförderung den ersten Schritt tat, werde ich vergessen haben, dass ich einen bescheuerten, kindischen, lang anhaltenden Schreikrampf bekam.
    »The Zone bedeutet mir alles. Vielen Dank, Jamie. Ich werde Sie nicht enttäuschen«, ist das, was ich gerne gesagt hätte.
    »Aaaaah! Ich glaube es nicht! Ich bin Lara Croft!«, ist das, was herauskam.
    »Ihre Begeisterung freut mich«, sagte Jamie lächelnd. »Das ist eine große Verantwortung. Eine verdammt große Verantwortung. Aber ich habe mich umgehört: Unsere Kunden sind von Ihnen begeistert. Außerdem habe ich so eine Vorahnung, dass Sie das packen.«
    Ich kenne Jamies Vorahnungen. Jamie ist einer der wenigen, die an der Börse ein Vermögen gemacht haben. Es heißt, Jamie habe den Börsencrash vorausgeahnt. Er verkaufte seine Aktien einen Tag, bevor die Kurse in den Keller fielen, und sicherte sich so fünfzehn Millionen. Danach
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