Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewig

Ewig

Titel: Ewig
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
Vom Netzwerk:
voller Hass und Anklage. Kein Vergeben, kein Verzeihen, nur endloser Vorwurf waren darin zu lesen. Clara war noch immer in Georgs Gedanken und Träumen, lebte fort und stand zwischen ihnen wie eine unüberwindbare Wand aus Stahlbeton. Unzerstörbar, glatt und riesig.
    Paul verfluchte, dass er überhaupt gekommen war. Was hatte er sich gedacht? Was hatte er erwartet? Drei Jahre Einsamkeit hatten aus Georg Sina einen Monolithen gemacht, steinern und unbeweglich. Hart zu sich selbst und noch härter zu allen anderen.
    Es fiel Paul schwer, die richtigen Worte zu finden. »Georg, um unserer alten Freundschaft willen, komm mit und hör mir zu. Trink einen Kaffee mit mir und lass mich dir eine Geschichte erzählen, eine seltsame Geschichte, die gestern in Wien passiert ist und die ich nicht verstehe.« Paul fühlte sich am falschen Platz zur falschen Zeit. Er wollte weiterreden, aber da drehte sich Georg Sina plötzlich um und verließ den Laden, wortlos, grußlos. Die Tür schlug hinter ihm zu wie ein finaler Schlussakkord in einer Ouvertüre, die kein Stück eröffnete, sondern für immer allein stehen bleiben würde.
    Die Besitzerin schaute dem Wissenschaftler überrascht nach, in einer Hand die Einkaufsliste, in der anderen eine Dose Bohnen. Paul folgte ihm zögernd nach draußen, sah Sina neben dem Haflinger stehen. Der Reporter setzte sich in den roten Golf, mit dem er gekommen war.
    Es war ein Fehler, sagte er sich, ich hätte nicht hierherkommen sollen. Es ist sinnlos.
    Sina flüsterte etwas in das Ohr des Pferdes, eindringlich und lange. Dann trat er zurück und der Haflinger setzte sich in Bewegung, zielstrebig, erst langsam, dann immer schneller, bis er auf der engen Landstraße um eine Biegung verschwunden war. Da drehte sich der Wissenschaftler um, kam zur Beifahrertüre des roten Golf, öffnete sie und stieg wortlos ein. Er verschränkte die Arme vor der Brust, schaute geradeaus und wartete.
    Paul war verblüfft und erleichtert zugleich. Zuerst zögerte er, dann startete er den Wagen, bog auf die Straße ein und fuhr los.
    Als der rote Golf eine halbe Stunde später die Ortstafel »Zwettl« passierte, hatte Sina kein einziges Wort gesprochen, ja nicht einmal den Kopf bewegt. Das Gespräch, das Wagner in Gang zu bringen versuchte, war ein Monolog, der schnell verebbte, und schließlich fuhren sie schweigend die letzten dreißig Kilometer. In Zwettl am Hauptplatz angekommen, hielt der Reporter vor dem Stadtcafé und Sina stieg aus, ging ohne zu warten in das Lokal und verschwand in seinem Inneren. Paul seufzte, schloss den Wagen ab und folgte ihm.
    Das kleine, stadtbekannte Kaffeehaus war gut besucht und die Luft bläulich vom Rauch aus unzähligen Zigaretten. Sina hatte bereits einen Platz gefunden und auch gleich bestellt, als der Reporter sich ihm gegenüber auf einen harten Stuhl zwängte. Der Wissenschaftler schaute auf seine Hände, die er vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Er bewegte sich auch nicht, als Wagner eine Zeitung entfaltete, damit unzählige Brandspuren von Zigaretten auf der Tischplatte zudeckte und zu erzählen begann.
    Als er geendet hatte, mit Vermutungen und Auslegungen, welche die seltsamen Buchstaben L und I betrafen, blieb Sina noch eine Minute sitzen, wie um sich zu vergewissern, dass Wagner wirklich alles geschildert hatte. Dann stand er auf, legte ein paar Münzen auf den Tisch und verließ mit großen Schritten das Café. Er hatte noch immer kein Wort gesprochen. Paul stützte den Kopf in seine Hände, niedergeschlagen und mutlos.
    Georg Sina atmete in tiefen Zügen die reine Luft ein, die ihm nach dem verrauchten Kaffeehaus noch klarer vorkam. Er hatte die Hände in die Jackentasche gesteckt und bemerkte innerlich lächelnd, wie ein Polizeibeamter einen Strafzettel hinter die Scheibenwischer des roten Golf klemmte. Dann wanderte er planlos zwischen den alten Häusern der Stadt umher, bis er sich vor dem Rathaus wiederfand. Fasziniert betrachtete er die Sgraffitos auf der Fassade, die fahnenschwingenden Landsknechte und Inschriften, bis sein Blick auf ein unscheinbares Spruchband fiel. Er schaute genauer hin und die Buchstaben sprachen zu ihm, flüsterten und raunten.
    Wagner hatte inzwischen die Hoffnung aufgegeben, den Wissenschaftler jemals wiederzusehen. Er überlegte noch, wie der Einsiedler wohl jetzt von Zwettl zu seiner Burgruine zurückkommen würde. Soll er doch per Anhalter zurückfahren, dachte sich Paul und verlangte die Rechnung. Da wurde die Tür geöffnet, Sina
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher