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Europa nach dem Fall

Titel: Europa nach dem Fall
Autoren: Walter Laqueur
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unabsehbare Folgen für die Kapitalmärkte gehabt und den Euro in die Katastrophe führen können. Doch dem notwendigen Vorgehen wurde vor allem von Deutschland (das die Hauptlast zu tragen gehabt hätte) sowie auch von anderen Ländern beträchtlicher Widerstand entgegengesetzt. Deutschland betonte, wenn es nicht weitaus effizientere Kontrollmaßnahmen gäbe, würden solche Krisen mit fatalen Folgen für die Europäische Union wiederkehren.
    Schließlich wurde ein Kompromiss erzielt, nachdem Griechenland versprach, sich zu bessern, sein Budget zu kürzen und rigorose Sparmaßnahmen durchzuführen (was zu massenhaften Streiks führte). Am Ende weigerte sich nur die Slowakei, sich an der Rettungsaktion zu beteiligen, mit dem Argument, es sei ungerecht, dass ein kleines Land, ärmer als Griechenland, für die Dummheit und Kurzsichtigkeit eines größeren und wohlhabenderen verantwortlich gemacht werden sollte. Der Entscheidungsfindungsprozess der EU war dabei, wie in anderen Fällen, qualvoll langsam. Amerika betrachtete Europas Handlungsunfähigkeit mit wachsender Ungläubigkeit und Besorgnis. Washington hatte wohl bereits verstanden, dass es im Fall Lehman Brothers früher hätte einschreiten sollen. Es bedurfte etlicher Anrufe von Präsident Obama, um die politische Führung in Europa davon zu überzeugen, ihre Aktivitäten zu beschleunigen. Doch es stellte sich bald heraus, dass das erste Rettungspaket für Griechenland nicht ausreichte, und es gab große Widerstände gegen einen zweiten Sanierungsplan. Es stellte sich schließlich heraus, dass die griechische Schuldenlast zu groß war, um getilgt zu werden, und in der Zwischenzeit ergaben sich noch gefährlichere Notlagen in anderen europäischen Ländern.
    Es folgte die irische Krise, aber Warnsignale kamen auch aus Portugal, Spanien und Italien. Das Bruttosozialprodukt Italiens fiel während der Krise um 6 Prozent, und die Erholung kam äußerst langsam voran. Kein europäisches Land schien sicher zu sein. Irland, lange Zeit eines der rückständigsten europäischen Länder, hatte in den vorhergehenden 20 Jahren die große Erfolgsstory geschrieben. 2007 war sein Pro-Kopf-Einkommen höher als das Großbritanniens. Im Sommer 2010 aber veröffentlichte der Irish Star eine Karikatur auf seiner Titelseite, auf der ein Grabstein mit der Inschrift »Irland R.I.P.« zu sehen war. Wie konnte es sein, dass ein Land mit einer Bevölkerung von 4,6 Millionen Bankschulden von mehr als 100 Milliarden Euro angehäuft hatte – und niemand hatte darauf geachtet? Wie in anderen Ländern hatten sich faule Kredite (etwa bei Immobilien) und mangelnde Vorsicht bei den Banken zu einer Blase aufgebauscht.
    Es bestand die Neigung (nicht allein in Irland), alle Schuld auf den Euro abzuwälzen, doch während die Existenz des Euro eine Therapie erschwerte, war er nicht der Hauptgrund für die Katastrophe. Die irische Wirtschaftsgrundlage war viel gesünder als die griechische, doch die drei führenden irischen Banken hatten ohne grundlegende Besonnenheit gehandelt. Einigen Fachleuten zufolge hatten die Banker mit falschen Zahlen operiert, doch es ist zweifelhaft, ob dies alles erklärt hätte. Wie in anderen Fällen war der Versuchung nachgegeben worden, ausländisches Geld in ein Land mit niedriger Einkommensteuer (eine Körperschaftssteuer von 12 Prozent!) zu locken und sich enorm zu bereichern.
    Die Lage in Spanien, einem weiteren Aufsteiger der letzten Jahrzehnte, war wiederum insofern anders, als seine Schulden gering waren, viel geringer als in vielen anderen europäischen Ländern, denn Spanien verbuchte sogar Budgetüberschüsse. Doch es hatte einen gewaltigen, hauptsächlich vom Ausland finanzierten Immobilienboom gegeben. Darüber hinaus hatte der spanische Wohlstand zu einer beträchtlichen Inflation und Preiserhöhungen bei Waren und Dienstleistungen geführt – was Spaniens Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten verringerte. Daraus ergaben sich eine größere Bankenkrise und eine steil ansteigende Arbeitslosigkeit. Experten zufolge hätte die spanische Regierung Reformen bei den Renten und Löhnen durchführen sollen, hatte dies aber unterlassen. Das freute zwar die Gewerkschaften und verhinderte Massenstreiks, aber es ließ auch die Arbeitslosenrate auf fast 20 Prozent ansteigen und verurteilte nach Ansicht des Economist ein Drittel der Werktätigen zu unregelmäßiger, unsicherer Zeitarbeit.
    Italien steckte ebenfalls tief in der Klemme, obwohl in diesem Fall die
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