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Euro Psycho

Euro Psycho

Titel: Euro Psycho
Autoren: Craig Taylor
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Brunhildes und Giuseppes – mich von einer bisher unbekannten Seite kennenlernen. Mit glänzendem Haar, dazu schicke Schuhe, von Kopf bis Fuß in KevKingCouture gekleidet. An diesem Abend werden die Kontinental-Heinis einen ganz anderen Kev erleben. Und meine Lifestyle-Marke wird weggehen wie geschnitten Bier.
    Egal. Das Licht wird runtergefahren. Und Paradise Oskar, Finnlands zwanzigjähriger Singer-Songwriter, betritt die Bühne. Seine Ballade ist balladesk, sicher, aber mir fehlt das gewisse Etwas, das gewisse je ne sais Kev. Für meinen Geschmack hat sie nicht genug Power. Wenn’s um Balladen geht, bevorzuge ich Powerballaden. Das heißt, eine normale Ballade. Nur mit mehr Power … Foreigners I Want To Know What Love Is … Viel Power. Whitesnakes Is This Love … Ebenfalls eine Ballade mit sehr viel Power.
    Aber was ist überhaupt eine Ballade?
    Egal. Es folgen weitere Songs. Eine Band nach der anderen betritt die Bühne.
    Bosnien-Herzegowinas Dino Merlin. Erfolgversprechend.
    Moldawiens Zdob si Zdub. Unergründlich.
    Ja, und dann wirbeln Blue höchstselbst durch die Arena, hinter sich vier gigantische Leinwände. Sie nehmen die Bühne auseinander, geben alles. Ihr Song, I Can , zieht mit seinen Ohrwurm-Qualitäten den ganzen Kontinent in seinen Bann, dringt schwanztief in Millionen Wohnzimmer, überzeugt die Skeptiker, begeistert die unentschlossenen Zuschauer. Mit diesem Song werden Blue für England garantiert den sechsten Eurovision-Titel holen. Denn musikalisch haben sie voll überzeugt. Das Einzige, was sie jetzt noch aufhalten kann, sind die Bündnisse der Länder-Jurys, die in diesem Wettbewerb seit Kurzem den Ton angeben. Das grauenvolle Hin- und Hergeschiebe, der »Gib mir zwölf, und ich geb dir zwölf«-Mist, der den Eurovision Contest die letzten Male so entweiht hat. Die taktischen Absprachen, bei denen um die Punkte auf der Tafel geschachert wird, als wären sie bloß Punkte auf einer Tafel.
    Spielmanipulation, wenn man so will, nur mit Musik. Songmanipulation.
    Und während Ash Hughes anfängt, im Schlaf zu reden – erst was von einem Walross, dann von einem Pony –, verlassen Blue die Bühne. Ich sehe, wie der Kameramann näher kommt, sich – die Kamera auf der Schulter, das Tonkabel im Schlepptau – seinen Weg Richtung Blues Green Room bahnt. Ich rücke ein kleines Stück von Ash ab und mache mich für meine bevorstehende Großaufnahme bereit.
    Aber was ist das? Jemand tippt mir auf die Schulter.
    Ich drehe mich allerdings nicht nach dem vermeintlichen Autogrammjäger um, der in die offene Box langt, um mir auf die Schulter zu tippen. Ich sage bloß: »Verpiss dich, nicht jetzt«, während ich verfolge, wie sich der Kameramann langsam nähert. Da macht es erneut tipp-tipp auf meiner Schulter.
    »Schön«, sage ich. »Her mit dem Stift. Aber schnell.«
    Doch da ist kein Stift, der mir gereicht wird. Als ich einen raschen Blick über die Schulter werfe, sehe ich hinter dem Sofa, auf dem ich sitze, eine Person. Sie ist nicht nur kurz davor, die Komposition meiner bevorstehenden Großaufnahme zu ruinieren, sie trägt zudem noch irgendwelche seltsamen Klamotten und einen unfassbar großen geriffelten, kegelförmigen Hut, dessen Form mich an einen langgezogenen, spitz zulaufenden Bienenstock erinnert. Und unter diesem Albtraum eines jeden Hutmachers trägt sie eine Art glitzernder Maske.
    Ich habe diese Kombination aus Hut und Maske schon mal gesehen. Wie’s der Zufall will, heute Abend auf der Bühne. Ja, auf der Bühne des Eurovision Contest hat einer der Künstler diese Klamotten als Kostüm getragen, aus irgendeinem Land irgendwo im Kaukasus oder so.
    »Na los. Schnell. Her mit dem Scheißstift«, sage ich, verdrehe den Hals und starre direkt zu der Gestalt hinauf, die hinter mir steht. »Übrigens, toller Auftritt.«
    Aber das ist gelogen. Bei der Nummer handelte es sich um müden Ska Punk oder Rapcore. Und ich habe immer noch keinen Stift, um meinen Karl-Otto hinzukritzeln, da ist nur der starre Blick hinter der glitzernden Bühnenmaske.
    Ich schaue kurz zum Kameramann hinüber, der immer näher rückt, und verliere langsam die Geduld mit diesem Schultertipper. Dann spuckt er’s endlich aus. Unter dem Schatten der Hut-Maske-Kombination dringt eine tiefe, wohlartikulierte Stimme hervor. »Ich möchte Ihnen ein Angebot machen, Mr. King«, flüstert der Mann.
    »Soso«, sage ich.
    »Meine Partner zahlen Ihnen drei Millionen Euro, wenn Sie absichtlich das Champions-League-Finale
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