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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman
Autoren: Constanze Petery
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mir aus der Lounge gefolgt, kleben hinter den Eingängen, die Nasen platt an den Scheiben, ihre Blicke bleiben an den Reifen des davonfahrenden Taxis hängen, das letzte Bild in ihren Augen, für alle Zeiten eingebrannt.
    Die Schatten der Gebäude ziehen an den schwarzen Scheiben vorüber, manche Fenster sind erleuchtet, egal ob von Kerzen, Lüstern oder kahlen Glühbirnen, es ist die Illusion von Gemütlichkeit, man bringt den Tag in die Nacht, verlängert die Helligkeit, dehnt sie nach Belieben aus. Ich brauche kein künstliches Licht, ich bin die Tochter der Sonne, schöner und strahlender noch als diese. Werden eigentlich alle Mütter von ihren eigenen Töchtern ausgestochen? Das Taxi stoppt. Ein kleines Mädchen im Kindersitz staunt mich durch zwei Scheiben hindurch an, auch das Auto, in das ihre Mutter sie hineingelegt hat – müde und warm sie beide, Mutter, Tochter, Familie –, muss an der Ampel warten. Süß ist sie, mit ihren großen Augen, die sie kaum noch offen halten kann, die Lider schwer, so schwer, und den Arm fest um den Lieblingsteddy, wo wirst du in zehn Jahren sein, mein plüschiger Freund, und immer stärker lockt die Traumfee, so schwer, kleiner Engel, so schwer, den Daumen zwischen die Lippen, Gedanken an Erdbeeren im Sommer, eine große
Wiese glitzert feucht vom Tau, nackte Füße im Gras, so schwer, wann ist Sommer, so schwer, halt sie nicht länger auf, die Lider wollen niedersinken, wann ist Sommer, wann sind wir endlich zu Hause, so schwer, schwerer und immer schwerer. Die Ampel schaltet auf Grün, der Kopf des Kindes ist auf die Schulter gesunken, der Griff in das Fell des Teddys wird schwächer, ich sehe nur noch die Rücklichter des Autos anonym in die Nacht verschwinden.
    Wir sind alle Teil einer gesichtslosen Masse, namenlos und unerkannt, unbekannt, ungeliebt, unvermisst, im ewig gleichen Trott. Seht auf die Straße vor eurer Tür, seht in euren Pausenhof, in eure Büroräume: Ist es nicht Zeit, dass sich einer emporschwingt, das Kollektiv in seine Bestandteile, seine Seelen und Körper auflöst, weil Masse längst nicht mehr unseren, meinen Vorstellungen entspricht, ist es nicht Zeit, dass einer den Menschen ihre Namen, ihr Gesicht, ihre Zunge zurückgibt? Ist nicht endlich meine Zeit gekommen? Die Zeit meines Jubels, meiner Herrschaft, die Zeit der Sonne? Ich lasse das Taxi halten, mitten auf der Straße, zu wenige Autos, um einen Stau hinter mir zu bilden. Wer Verantwortung trägt, sollte nicht davor wegrennen. Ich bin schließlich nicht selbstsüchtig. Sagt, Kinder, wo geht die Party ab?
    Discodiva, Divendisco. Heute seid ihr in eure Lackpumps geschlüpft und habt die Strasstiaren ins Haar gesteckt. Ihr seid ja alle so schön, so herausgeputzt, eure Ohrgehänge sind kleine Kosmen, die Kugel an der Decke macht eure Gesichter zu Sternbildern. Bin ich der Polarstern, bin ich der Mond dieser Galaxis? Nein, heute will ich euer Nachthimmel sein, eure dunkle Gönnerin. Funkelt, ihr seid wieder eins in eurem Glanz, funkelt, lacht, kommt, wir exen noch eine Runde Tequila. Ich umfange euch alle, empfange euch, komm, du mit
deinem heißen Atem in meinem Nacken – die eine Hand im Schoß, die andere überall –, komm, lass uns strahlen. Und die Nacht wurde Tag, es ward Licht. Oder so ähnlich.
    Da sitzt ja eine, da in der Ecke, auf der Tischkante, neben ihr ein Himalaya aus Bierflaschen, Gläsern, überzogen von verschüttetem Hochprozentigen, Schlieren eines rosa-orange-farbenen Cocktails, dessen süßlich-synthetischer Gestank bis in meine Nase dringt. Wir rufen.
    Hey, du, ja, du mit dem schwarzen Haarband, komm doch her, willst du nicht was mittrinken und ein bisschen tanzen, Scheiße, die is ja total hacke und höchstens dreizehn, aber dafür Lederstiefel mit Fünfzehnzentimeterabsätzen, egal, vergessen wir es doch für heute, man ist nur einmal jung, haben wir das nicht alle mal gemacht, also, komm her, Mädel, lassen wir die Sau raus.
    Und noch eine Runde, die Kleine besteht darauf, dass sie sie bestellt und uns bringt, sie will beweisen, dass der Barkeeper ihr wahres Alter niemals erraten kann, dass er sie für voll nimmt, dass jeder sie akzeptiert. Und tatsächlich, sie kommt zurück, breites Grinsen und volle Hände. Niedlich. Der Salzstreuer geht im Kreis herum, die Stille ist andächtig, fast heilig, nur unsere Süße kann sich das Kichern nicht verkneifen, es ist ja das erste Mal. Der Blick rutscht ihr weg, auf den Augäpfeln sieht man ihre Gedanken vorüberziehen. Sie
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