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Essen mit Freunden - Roman

Essen mit Freunden - Roman

Titel: Essen mit Freunden - Roman
Autoren: Insel Verlag
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seufzte. »Er hat gesagt, dass ich Spuren in seinem Leben hinterlassen habe. Und dann hat er mich geküsst.«
    Â»Er dich?« Anne setzte ihren Röntgenblick auf.
    Luise zuckte ein drittes Mal mit den Schultern, doch sie kannte Anne gut genug, um zu wissen, dass diese nicht lockerlassen würde. »Ja, er mich, dann ich ihn und dann wir uns. Reicht das?«
    Anne klatschte begeistert in die Hände. »Wo liegt das Problem?«
    Also erzählte Luise auch den Rest.
    Â»Nein! Und was hat Markus dir heute Nacht geschrieben?«
    Â»Wenn ich weiß, was ich will, soll ich kommen.«
    Â»Wohin? Wann?«
    Â»Zu ihm. Heute Abend. Er wartet bis Viertel nach zehn.«
    Â»Aber das ist doch wunderbar.«
    Â»Ich bin aber um Viertel vor neun mit Raphael verabredet.«
    Â»O nein, Luise. Das ist nicht dein Ernst.« Anne schien gleich die Geduld zu verlieren.
    Â»Doch.«
    Â»Bist du dir sicher?«
    Â»Nein, bin ich nicht. Aber genau deswegen muss ich hingehen.«
    Â 
    Raphael war bereits da. Er saß am Tisch neben dem Kamin. Hellgraues Hemd, dunkle Leinenhose. Er war beim Friseur gewesen. Ein schöner Mann, wirklich. Der sensible Zug um den Mund, die schmalen Hände, die nervös über die Tischdecke strichen. Als er sie sah, stand er auf, strahlte, streckte die Arme aus, um sie zu umarmen, unterließ es aber doch und rückte ihr den Stuhl zurecht. Höflich, feinfühlig. Sie setzte sich, sah ihn an und wartete. Trotz der vielen Mails, mit denen er in den letzten Wochen um sie geworben hatte, wusste sie noch immer so gut wie nichts von ihm. Was aß er gern, was machte er in seiner Freizeit, wie lange war er mit Rebecca zusammen gewesen, woher kannte er Svenja? Was wusste er von ihr, Luise, außer dass sie kochte? Sie schauten in die Karte.
    Â»Was möchtest du?«, fragte er.
    Â»Was möchtest du ?«, fragte sie.
    Â»Ich bin mir nicht sicher. Was schlägst du vor?«
    Â»Vielleicht die lauwarm marinierte Forelle?« Sie dachte an den Lachs.
    Â»Hört sich gut an«, sagte er, ohne den Blick von der Karte zu lösen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Eigentlich bin ich gar nicht hungrig. Ich hatte heute schon«, sie suchte nach passenden Worten, »eine Süßwarenverkostung. Ich nehme einfach nur einen Salat.«
    Irgendetwas beschäftigte ihn. Das war offensichtlich. Aber
Luise bekam nicht heraus, was ihm so zusetzte. Die Situation? Sie? Eine Wahl treffen zu müssen? Wollte er mit ihr reden, oder wollte er, dass sie redete? Oder wollte er es so laufen lassen, als wäre nichts geschehen? Hieß genau das vielleicht für ihn von vorn anfangen ? In seinen Mails hatte er sich wieder und wieder entschuldigt. Sein Bemühen hatte ihr geschmeichelt. Auch die Einladung heute Abend. Im Grunde war es doch rührend, wie schüchtern er war.
    Â»Möchtest du Wein?«
    Sie entschied sich für Wasser. Ihr Magen war seit gestern Abend aus dem Takt. Alkohol wäre jetzt das Letzte. Er schloss sich an mit dem Salat, bestellte dazu aber Wein. Immerhin.
    Das Kaminfeuer warf Schatten auf sein Gesicht, ließ die geschwungenen Wimpern unendlich wirken. Seine Stimme war leise, bedächtig. Hatte Luise mehr auf den Klang gehört als auf die Worte? Er sagte etwas von Zeit miteinander verbringen. Von sich besser kennenlernen. Segeln würde er gern mit ihr. Oder Badminton spielen. Vielleicht wandern.
    Der Salat wurde serviert, und ein kurzes Schweigen trat ein. Sie begannen zu essen, waren höflich zueinander, sie lobte die Vinaigrette, er das Ambiente. Dann fragte er unvermittelt: »Wo bist du eigentlich gerade, Luise?«
    Sie sah ihn an, Feuerschein auf seinem Gesicht; sie fühlte sich zurückversetzt an ihren Geburtstag, Nacht, Feuer, Mann  – und ihr wurde schlagartig klar, dass es ihr bereits an jenem Abend am See um Markus gegangen war. Honig in der Marinade. Zimt zum Fleisch. Raphael war jemand, mit dem sie ihre Sehnsucht gefüttert hatte, weil er ihr nicht gefährlich werden konnte. Mit dem sie sich Situationen erträumt hatte, die mit dem Raphael, der ihr gegenübersaß,
herzlich wenig zu tun hatten. Selbst jetzt träumte sie noch. Weil sie feige war. Vielleicht war Sehnsucht etwas für Feiglinge. Auf der Herfahrt hatte sie sich den Abend ausgemalt, wie sie einander gegenübersitzen, seine Hand langsam über den Tisch wandern würde, um sich auf ihre zu legen. Sie hatte sich im Spiegel seiner Augen
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