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Essen mit Freunden - Roman

Essen mit Freunden - Roman

Titel: Essen mit Freunden - Roman
Autoren: Insel Verlag
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dir so etwas angeguckt hast.«
    Â»Ich sammle sie, wieso?«
    Â»Sammelst sie? Wie viel hast du denn mittlerweile?«
    Â»Einen Ordner mit Flyern.« Luise zögerte, rührte, gab noch etwas Hühnerfond in den Topf, rührte weiter, »und einen mit Infos aus dem Internet über Seniorenresidenzen, betreutes Wohnen und Pflegedienste hier in der Nähe«. Sie zögerte erneut, gab einen kleinen Schluck Wein zum Risotto, rührte und rührte. »Und einen mit Stiftung-Warentest-Urteilen über Notfallarmbänder, Seniorenhandys und Rollatoren.« Rühren, Fond, rühren, eine kleine Prise Meersalz, eher aus Verlegenheit, und wieder rühren.
    Mit einem gequälten Gesichtsausdruck drehte sie sich zu Anne um. »Machst du dir denn keine Sorgen, was ist, wenn deine Eltern alt werden?«
    Â»Meine Eltern sind schon alt. Aber das ist nicht der Punkt. Meinst du nicht, dass deine Mutter diejenige sein sollte, die sich nach einem Seniorenheim umschaut, und nicht du? Und ist es dir nicht lieber, wenn sie tanzen geht, anstatt Stiftung-Warentest-Urteile über Treppenlifter zu vergleichen?«
    Â»Aber sie … na ja … sie verdrängt das, glaube ich. Und ich habe doch eine Verantwortung für sie. Ich bin schließlich die Einzige, die sie jetzt noch hat.«
    Â»Wann warst du eigentlich das letzte Mal tanzen?«
    Â»Ich? Also …« Hinter Luise dampfte es, und die Geräusche im Kochtopf wurden verdächtig laut. »Mist! Jetzt ist es beinahe angebrannt. Deckst du bitte schnell den Tisch?
Die anderen kommen gleich. Wo ist nur die Butter? Ach, hier. Und die Pilze?«
    Wie ein Derwisch wirbelte sie zwischen Küchentisch und Herd hin und her, erleichtert, dass sie Annes Frage übergehen konnte.
    Â 
    Â»Tut mir leid, wenn ich das sage, aber eigentlich bin ich ganz froh, dass du nicht mehr mit Jörg zusammen bist«, gab Thorben zu.
    Â»Kann ich verstehen«, sagte Luise und räkelte sich genüsslich. Dann streckte sie die Beine aus und legte ihre Füße in Thorbens Schoß. »Aber kommen wir nun zur Rechnung: Du hattest einmal Risotto und drei Gläser Wein – das macht zehn Minuten Fußmassage.«
    Â»Das ist nicht dein Ernst«, jammerte er.
    Â»Diese armen Füße waren heute vier Stunden unterwegs zwischen Biomarkt, Weinladen, Herd und Küchentisch. Nur für dich und dein Risotto. Thorben, wir alle hier wissen, was du wirklich gut kannst. Und Massagen gehören definitiv dazu.« Luise wackelte aufmunternd mit den Zehen. Anne und Sybille lachten.
    Â»Okay.« Thorben fügte sich seufzend. »Aber nur, wenn es hinterher noch was Süßes gibt.« Sanft begann er, Luises Ballen zu drücken.
    Â»Ich bin auch froh, dass ihr getrennt seid«, sagte Sybille dann und tupfte mit der Fingerspitze ein paar Parmesanraspeln von ihrem Teller. »Seit Jörg ausgezogen ist, dürfen wir wieder viel öfter bei dir essen. Das hatte ich echt vermisst. Auch wenn meine Waage das wahrscheinlich etwas anders sieht.«
    Â»Außerdem zieht mir niemand den Teller unter der Nase
weg und räumt ihn in die Spülmaschine, bevor ich wirklich fertig bin«, sagte Anne und kratzte den letzten Rest Risotto aus dem Kochtopf.
    Â»Aber am allerfrohsten bin ich. Das könnt ihr mir glauben«, schnurrte Luise wohlig, als Thorben vorsichtig in die empfindliche Stelle über ihrem Hacken kniff. »Es gibt kein Gemecker mehr über zu viel Knoblauch an den Steinpilzen, kein demonstratives Gähnen, weil du schon wieder da bist.« Sie strahlte Anne an. »Kein Augenrollen mehr, wenn du beim Essen die Vor- und Nachteile von Samenbanken abwägst«, sie prostete Sybille zu, »und kein eifersüchtiges Schmollen, weil mir meine Lieblings-Ex-Affäre zwischen Hauptgericht und Espresso die Füße massiert.«
    Luise lächelte in die Runde und genoss einen dieser seltenen Momente, in denen alles perfekt zu sein schien. Die sich wie Verliebtheit anfühlten, obwohl weit und breit nichts Begehrenswertes auszumachen war. Abgesehen von Wein, Reis und Pilzen. Aber vielleicht lag es auch daran, dass bei ihr bestimmte Gerichte so etwas wie Verliebtheit auslösen konnten: Der Geruch von Steinpilzen verbreitete eine erdige Sinnlichkeit, das samtig-sämige Risotto war wie eine weiche Liebkosung des Gaumens. Im bissfesten Kern des Arborio-Reises hingegen steckte eine tiefe Weisheit, die dem Ganzen Halt gab. Eine
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