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Essen kann jeder

Essen kann jeder

Titel: Essen kann jeder
Autoren: Philipp Weber
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irgendwann landet das ganze Zeug im Biomüll. Also, im Grunde ist es ja schon Biomüll, es muss nur noch in die Tonne. Nach einer Studie der Universität Stuttgart werden jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel als Abfall entsorgt. Das entspricht 275 000 Sattelschleppern, die Stoßstange an Stoßstange einen Verkehrsstau von Lissabon nach Moskau bilden. Ein Drittel der gesamten Welternte landet auf der Müllkippe. Also auf den Müllkippen Europas und Nordamerikas natürlich. Das heißt, jede dritte Kartoffel, jede dritte Karotte, jedes dritte Korn wird vollkommen umsonst mittels Kunstdünger und Pestiziden aus dem Ackerboden gepresst.
    Die Erdbeerflunder: Die Rolle der Gentechnik
    Und es wird noch schlimmer werden. Denn die Agrarindustrie ersinnt ja ständig neue Methoden, um ihre Erträge ohne Rücksicht auf Mutter Natur zu steigern. Erst kürzlich erhielt eine neue Genmaissorte ihre Zulassung durch die EU-Kommission. Sie trägt die Bezeichnung »MIR 162«. Klingt wie eine russische Raumfahrtkapsel. Und von mir aus könnte man das Zeug zusammen mit der ganzen Gentechbranche auch auf den Mond schießen. Viele meiner Leser werden jetzt vielleicht enttäuscht ausrufen: »Ach, ist der Weber auch so ein innovationsfeindlicher Gesundheitshysteriker, dessen irrationale Ängste den wissenschaftlichen Fortschritt und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bedrohen?« Nein, ich habe keine Angst vor der Gentechnik. Neulich hat mir eine Veranstalterin nach der Vorstellung Tomaten hingestellt und – offensichtlich Bezug auf mein Pro gramm nehmend – stolz verkündet: »Herr Weber! Aus eige nem Anbau, die sind absolut genfrei!« Da hab ich mir gedacht: »Na, dafür, dass die Dinger keine Gene haben, sehen sie eigentlich ganz lecker aus!« Fehlende Chromosomen sind nämlich in der Regel in der Natur absolut tödlich. Männer haben im Vergleich zu Frauen nur ein Viertel Chromosomen weniger, und wir wissen alle, was das schon teilweise für verheerende Konsequenzen hat.
    Ich bin nicht grundsätzlich gegen jede Form von Gentechnik. Mit gentechnisch veränderten Organismen werden seit Jahren wichtige Medikamente hergestellt. Zum Beispiel Insulin. Es gibt auf diesem Gebiet äußerst faszinierende Ansätze. Asiatische Forscher haben sogar schon ein fluoreszierendes Schwein geklont. Also eine Sau, die im Dunkeln leuchtet. Wenn man das auf Hunde übertragen könnte, hätte man einen Dackel, mit dem man nachts Gassi gehen kann. Super. Doch warum sollen wir Genfood herstellen? Wenn wir einen großen Teil der Ernte doch gleich wieder zu Kompost verarbeiten, warum brauchen wir noch größere Zucchini? Noch ertragreicheren Weizen? Noch schädlingsresistenteren Mais? Wir können doch froh sein, wenn wenigstens die Schädlinge den Scheiß-Mais fressen!
    Und in Zukunft wird das ganze Zeug nicht mal mehr verrotten, sondern für immer im Kühlschrank liegen bleiben. Ich habe gelesen, dass man, um Obst gegen Frost unempfindlicher zu machen, Erdbeeren Gene von arktischen Flundern eingesetzt hat. Das sind Fische! Ziemlich schnelle Fische. Die Erdbeerpflücker der Zukunft brauchen also eine echt gute Kondition. Aber warum sollen nur Erdbeeren und Flunderngenom vermischt werden? Warum nicht auch Apfel- und Zitterrochengene kreuzen? Raus kommt der Zitterapfel. Da braucht man keine Insektizide, die funktionieren nämlich wie diese elektrischen Fliegenfallen beim Bäcker. Wenn eine Wespe andockt, verpufft sie in einer Wolke verkohlenden Chitins. Ich wäre sogar offener gegenüber der Thematik, wenn die Lebensmittel durch die Biotechnologie ethisch höhere Standards erfüllen würden. Was jetzt kommt, klingt ein bisschen nach Sience-Fiction, aber stellen Sie sich mal vor, man könnte einem Schwein das genetische Material einer Sojapflanze einsetzen. Herauskommen würde die erste voll vegetarische Tofusau! Wenn man diese Tofusau dann noch mit selbstmordgefährdeten Lemmingg enen rückkreuzt, erhält man ein suizidales, veganes Schwein, das sich selbst in die Fleischbrühe stürzt. Das können dann auch Tierschützer mit gutem Gewissen essen, weil man davon ausgehen kann: Dieses Schwein wollte geschlachtet werden. Welch großartige Vorstellung. Dann würde ich sagen: Let’s clone, baby!
    Doch bevor Sie jetzt in allzu großen Zukunftsoptimismus verfallen, muss ich eine wichtige Sache zu bedenken geben: Biologische Systeme sind leider sehr komplexe Systeme. Das heißt, wir können einfach nicht immer sicher sein, was passiert, wenn wir zu frech mit
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