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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch
Autoren: J Mehler
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Freund
Marco bekommen hatten.
    Schier
unbemerkt war im Laufe der Monate die offizielle Trennung von Hans Rot über die
Bühne gegangen. Zugegeben, die amtliche Ehescheidung stand noch aus, aber das
würde nur noch eine Formalität sein, denn grundsätzlich war alles geregelt.
Fanni hatte ihrem Mann das Haus in Erlenweiler überlassen, weil sie es ihm
damit ermöglichte, sein Leben wie bisher weiterzuführen – jedenfalls im
Großen und Ganzen. Laut Leni kam er gut zurecht, was Fanni nicht anders
erwartet hatte.
    Die
Reaktionen von Freunden und Verwandten auf die Nachricht, dass sich Fanni und
Hans Rot nach mehr als dreißig Jahren Ehe trennten, hätten unterschiedlicher
nicht ausfallen können. Lenis Zwillingsbruder Leo hatte – laut Leni –
die Information mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen und sich wieder seinem
Computer zugewandt. Vera, Fannis jüngste Tochter und das leibliche Kind von
Hans Rot, hatte – laut Auskunft ihres Mannes – aufgekreischt wie eine
Harpyie, ihre Mutter in Grund und Boden verteufelt und verkündet, sie werde
dieser Ehebrecherin den Umgang mit ihren beiden Kindern Max und Minna
verbieten. Bernhard, Veras Mann, hatte daraufhin Leni zu Hilfe gerufen. Sie war
auf der Stelle nach Klein Rohrheim gefahren und hatte ihrer jüngeren Schwester
den Kopf zurechtgesetzt.
    Hans
Rots Freunde und sämtliche Nachbarn hatten weise genickt und auf mannigfaltige
Weise kundgetan, dass es ja so hatte kommen müssen, dass Hans darüber nur froh
sein könne und dass Fanni eine gottverdammte Emanze sei, die loszuwerden nur
von Vorteil sein konnte. Olga Klein hatte Fanni in die Arme geschlossen und ihr
mit Sprudel alles Glück der Welt gewünscht. Und Martha Stolzer hatte Fanni
angerufen und gejohlt: »Das muss gefeiert werden, Fanni! Wir köpfen eine Flasche
Schampus oder besser gleich zwei, falls wir nach der ersten noch nicht unterm
Tisch liegen.« An diesem Abend war Martha zum ersten Mal seit dem Tod ihres
Mannes wieder richtig fröhlich gewesen. Seit Fanni vor zwei Jahren dessen
Mörder überführt hatte, war aus der zuvor recht losen eine tiefe Freundschaft
zwischen ihr und Martha entstanden, die an jenem Abend bei der »Befreiungsschlagsfeier«,
wie Martha das Treffen nannte, endgültig besiegelt wurde.
    Auch
Martha war im Sommer zu Besuch nach Levanto gekommen, und dort hatten sie
gemeinsam die Marokkoreise geplant, die Martha vor einigen Stunden das Leben
gekostet hatte.
    Das
vergangene Jahr war so friedlich und idyllisch verlaufen, dass Sprudel damit
aufgehört hatte, an seinen Wangenfalten zu zupfen.
    Soeben
begann er wieder damit.
    »Heute
Morgen«, sagte Fanni, »als wir im Café in unserer Nische saßen, habe ich gar
nicht darauf geachtet, wer aus unserer Reisegruppe sonst noch da war.«
    »Na,
alle«, antwortete Sprudel müde. »Die Gruppe hatte doch sämtliche Plätze vor dem
Panoramafenster belegt.«
    »Martha
befand sich offensichtlich nicht im Café«, wandte Fanni ein. »Und wir haben
nicht die geringste Ahnung, wer sonst noch gefehlt haben könnte.«
    Sprudel
malträtierte unwirsch seine Wangen.
    Da
wusste Fanni, dass er kapituliert hatte, dass er anfing, darüber nachzugrübeln,
welche konkreten Aktionen, Vorgänge und unglückseligen Zufälle zu Marthas Tod
geführt haben mochten.
    »Wenn
wir herausbekommen wollen, ob sich außer Martha noch jemand draußen aufgehalten
hat, dann müssen wir halt alle danach fragen«, erwiderte er.
    Fanni
nickte. »Noch heute Abend.«
    Sprudel
wölbte seine Hand um ihre Schläfe. »Ach, Fanni.«
    Sie
schnellte hoch, beugte sich über ihn und gab ihm einen langen Kuss. Dann rollte
sie wieder ein Stückchen von ihm weg und sagte: »Wir sind es Martha schuldig,
den … den Unfallhergang genau zu rekonstruieren. Schließlich hätte sie die
Reise ohne uns gar nicht gemacht, oder?«
    Endgültig
bezwungen murmelte Sprudel: »Nein.«
    Er
hatte ja keine Wahl. Und Fanni hatte im Moment das dringende Bedürfnis zu
wissen, wie es zu dem Unfall gekommen war. Sie konnte jedoch nicht ahnen, dass
sie am Abend nicht nur keine Gelegenheit haben würde, ihre Mitreisenden darüber
zu befragen, was genau sie gemacht, vor Augen gehabt, gehört oder sonst wie
mitbekommen hatten, als Martha starb; sondern dass sie auch viel zu matt und
zerschlagen sein würde, um irgendwelche Ermittlungen anzustellen.
    Hätte
sie es geahnt, vielleicht hätte sie sich dann von ihrem momentanen Eifer
getrieben auf den Flur geschlichen, um an den Zimmertüren ihrer
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