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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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zu dieser nächtlichen Stunde menschenleeren Bahnhof.
    Â»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Anne.
    Â»Tanzen«, sagte Maria.
    Â»Kannst du dich noch an das Märchen Aschenputtel erinnern? Immer wenn man es schwer hat, soll man tanzen!«, sagte Anne.
    Und sie nahmen die erste Position ein, flüsterten leise den Zaubersatz »Eins, zwei, drei, fallera« und begannen mit ihrem Tanz.
    Gleich bildete sich um sie ein kleiner Kreis von Nachtschwärmern, Verkäufern und schlaflosen Reisenden mit Koffern, Taschen und Kindern, die alle fröhlich zu klatschen begannen und den beiden Mädchen Münzen hinwarfen.
    Die Ballerinen sammelten das Geld schnell auf (wo ein Menschenauflauf ist, da ist auch Polizei mit Gummiknüppeln nicht weit), verließen ihre improvisierte Manege, kauften sich Fahrkarten für den nächsten Zug und fuhren weg aus der schrecklichen Stadt, wo sie dank ihrer Schönheit und ihres Talents so viele Abenteuer erleben mussten.
    Bereits ein Jahr später glänzten die Schwestern Annemarie in der Nachbarstadt im teuersten Varieté mit ihrer großartigen Tanznummer, überall standen sie unter Personenschutz, der aus einem Alten in Generalsuniform bestand, sie hatten ein Haus am Meer und Verträge für alle Länder der Welt, einschließlich der unbekannten Insel Man-Wan.
    Unter den Zuschauern konnte man übrigens oft den Zauberer entdecken, der ihnen Blumen, Perlenkronen und Pfauenfächer schickte, sein Geschmack war recht seltsam. Er fürchtete die Schwestern und ihre unsichtbare Beschützerin, die Fee Brotbutter, denn er hatte kapiert, dass sein eigener Fluch nicht in Erfüllung gegangen war.
    Es gefiel ihm, die beiden aus der Ferne zu lieben, heimlich und ohne die Gefahr, einen Korb zu bekommen.
    Zumal die unbekannte und gefährliche Brotbutter ihn noch für die früheren Streiche bestrafen konnte.
    So merkwürdig es auch klingen mag, die beiden Mädchen bekamen oft Post von einem gewissen Waldemar.
    Er schrieb, er habe sich auf den ersten Blick in Maria und Anne verliebt, er könne nicht einmal zwischen ihnen wählen und sei bereit, beide der Reihe nach zu heiraten.
    Zurzeit allerdings befinde er sich noch in finanziellen Nöten, seine böse Frau Marianne habe ihn grausam bestohlen, das gesamte Vermögen sich selbst vermacht und sei spurlos verschwunden. In der Klinik, die er, Waldemar, leitete, habe sich eine bösartige Durchfallbakterie eingenistet, auf Befehl der Behörden musste die Klinik abgebrannt werden! Sodass er die beiden um Hilfe bitte – 30 Millionen mit einer Rückzahlungsfrist von 49 Jahren.
    Und jedem Brief waren Fotos von Waldemar beigefügt – in Badehose, im Smoking auf einem Ball, im Rollkragenpullover beim Lesen und dann noch mit Ledermantel und Hut vor den rauchenden Ruinen der Klinik, mit einem traurigen Lächeln auf dem bleichen Gesicht.
    Allerdings lasen die beiden Schwestern die Briefe nicht, mit großem Interesse wurden sie dagegen vom Alten in Generalsuniform zur Kenntnis genommen. Nach der Lektüre legte er sie in eine Mappe, schrieb eine Nummer darauf und schob sie in ein Fach im Schrank. Wenn er sich einmal zur Ruhe setzt, so hoffte er, könne er einen Roman über die große Kraft der Liebe schreiben, mit dem Titel Die Leiden des jungen W. – mit Fotodokumenten.

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    Das Vermächtnis des alten Mönchs
    Einmal stieg ein alter Mönch mit einer Sammelbüchse voll Kleingeld mühsam heim in sein Bergkloster.
    Um dieses Kloster, das abgelegen war von allen Wegen, stand es schlecht. Das Wasser musste aus einem kleinen Fluss tief unten in der Schlucht geholt werden, das Essen bestand nur aus Brotkanten und trocknen Fladen, die die Mönche als Almosen in den geizigen und gottlosen Dörfern der Umgebung bekamen, und deshalb holten sie sich aus den Wäldern wilde Früchte und Nüsse, Beeren und Kräuter und sammelten Honig und Pilze.
    In dieser Gegend wäre für die Mönche die Bewirtschaftung eines Gemüsegartens vergebliche Liebesmüh gewesen, ganz sicher hätte sich jemand gefunden, der nachts mit Spaten und Handwagen angeschlichen gekommen wäre und sich die reife Ernte geholt hätte – so standen die Dinge dort.
    Deshalb waren die Bauern auch so grimmig zu Fremden und durchziehenden Bettlern (zu den Nachbarn ebenfalls). Sie verteidigten ihre Beete mit Gewehren, hielten familienweise Wache und vergruben das Gemüse möglichst
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