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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman
Autoren: Arno Geiger
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Kreuz. Sie redeten über Johannas Arbeit beim Fernsehen und über Philipps Großmutter, die im hohen Alter ihr Englisch noch mal aufgefrischt hatte. Unterdessen wusch Philipp Johanna zweimal die Haare mit einem Lindenblütenshampoo, dem sie bescheinigte, daß es gut rieche. Sie wollte, daß Philipp ebenfalls sage, daß es gut rieche. Sie saß vor ihm, zwischen seinen Beinen. Er spülte ihr den Schaum aus den Haaren und hob die Haare an, damit er mit dem Strahl, der aus dem Duschkopf kam, auch ihren Nacken erreichte. Wasser floß gurgelnd in den Überlauf, weil Johanna Wellen erzeugte, indem sie rasch die Beine immer wieder öffnete und schloß. Philipp sagte, das Gurgeln höre sich an, als seien Gespenster unter der Wanne. Johanna lachte. Auch Philipp lachte. Gleich darauf stieg er aus der Wanne, um Platz zu machen, was das Gurgeln verstummen ließ, obwohl Johanna mit dem Öffnen und Schließen der Beine fortfuhr. Philipp war ganz schmierig von dem Zeug, das sich während der letzten halben Stunde im Wasser aufgelöst hatte, und da die Handtücher am Vortag in der Schmutzwäsche gelandet waren, rutschte er auf dem Badvorleger ins Schlafzimmer der Großmutter, wo frische Handtücher lagerten. Als er von dort zurückkam, stand Johanna aufrecht in der Wanne, unglaublich groß und breit und weit weg, strahlend von einem Glück, das ihm nicht in den Schädel wollte. Sie wrang mit beiden Händen ihr Haar aus.
    Philipp steht auf dem letzten der Stühle an der Gartenmauer und horcht mit angehaltenem Atem.
    Aber die Abwesenheit der Nachbarn ist weiterhin skandalös.
    Er geht zu Frau Puwein und bringt ihr Kirschen. Auch Herr Prikopa sei herzlich eingeladen. Er führt drei Telefonate mit der Post in der Absicht, die Postbotin ausfindig zu machen. Doch man weigert sich wiederholt, ihm über den Nachnamen der Frau Auskunft zu geben.
    Er ruft einen Kollegen an. Dort nimmt niemand ab.
    Er ruft seinen Vater an. Der ist zu Hause.
    – Erlach.
    – Hallo Papa, ich bin’s, Philipp.
    – Was für eine Überraschung. Ich staune. Ich staune.
    – Wie geht es dir?
    – Ich kann nicht klagen. Und dir?
    – Die Dachdecker sind gerade da. Sie bessern das Dach aus.
    – Dann bist du fleißig?
    – Wenn man es so nennen will. Und du?
    – Ich habe die Lizenzen, die ich heute mit der Post zurückerhalten habe, in einen Ordner abgelegt. Sie stellen das Spiel mit Ende des Jahres ein.
    –  Wer kennt Österreich?
    – Nach einundvierzig Jahren. Plus der Jahre, die ich das Spiel in Eigenregie vertrieben habe.
    – Wenn ich an Österreich denke in der Nacht.
    – Schade, ja.
    – Papa, ich mache heute abend eine kleine Grillfeier. Willst du kommen? Dann unterhalten wir uns darüber.
    – Kenne ich jemanden? Außer dir?
    – Frau Puwein?
    – Sagt mir nichts.
    – Herrn Prikopa?
    – Der vom Fernsehen? Sachen zum Lachen ?
    – Ist der nicht schon tot?
    – Einen anderen Prikopa kenne ich nicht.
    Funkstille.
    – Ich glaube, ich würde es vorziehen, daheim zu bleiben. Trotzdem danke, daß du an mich gedacht hast. Du nimmst es doch nicht persönlich?
    – Warum sollte ich es persönlich nehmen?
    – Dann ist ja gut.
    – Ist es traurig für dich, daß sie das Spiel einstellen?
    – Ein wenig. Nicht sehr.
    Funkstille.
    – Weißt du, in der allerersten Ausgabe von dem Spiel lautete die letzte Spielregel: Der Verlierer darf nicht lachen. Das fand ich mit Anfang zwanzig originell. Als ob in Österreich je jemand gelacht hat, wenn er unter den Verlierern war. Man war ja nahezu immer unter den Verlierern. Heute, wenn ich das Fernsehen andrehe, und ich sehe diese Shows mit jungen Leuten, die sich einsperren lassen, ist es genau das Gegenteil. Wer verliert, tritt vor die Kamera und sagt, danke sehr herzlich, es war toll, ich bin stolz, derselbe geblieben zu sein. Das leuchtet mir nicht ein. Wenn ich verloren habe, war ich hinterher immer ein anderer. Ich habe nie gern verloren. Das Verlieren hat mir nie sonderlich gutgetan.
    Funkstille.
    – Nur Idioten verlieren nie, sagt Philipp.
    – Das Spiel hätte man nochmals modernisieren können. Andererseits, was soll’s, es ist vorbei. Habe ich dir je erzählt, daß DKT vor dem Krieg Spekulation geheißen hat und daß die Nazis es verbieten wollten, weil sie gegen das Geld eingestellt waren? Da hat man das Spiel kurzerhand in Das kaufmännische Talent umgetauft, das klang nach Fortbildung und ist noch heute erfolgreich. Die Deutschen nennen es ohne Genierer Monopoly .
    –  Wer kennt
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