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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis
Autoren: Holly Cupala
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Xanda. »Scheint, als hättest du erfolgreich deine eigene Marionetten-Regierung geschaffen.«
    Ich verstand erst nach einer Weile, dass es bei der Rolle, die Mom mir anbot, gar nicht um mich gegangen war, sondern nur um Xanda.
    ***
    Ich fragte mich, was meine Mutter vorhatte. Ich lächelte müde. »Danke, Mom. Ich bin oben.«
    »Du musst erschöpft sein von der Fahrt. Dusch erst mal, ja?«
    Ich versuchte, das alles nicht an mich ranzulassen.
    Mom rollte meinen Koffer locker an zwei Fingern den Flur entlang und suchte dabei den Boden nach irgendwelchen Macken ab. Als ich die Treppe hochging, konnte ich hören, wie sie den Koffer auspackte und anfing, die Sachen zu sortieren. Der flauschige Teppich unter meinen Füßen fühlte sich vertraut an. An der Wand hingen Rahmen neben Rahmen meine Bilder und Zeichnungen, alles Labyrinthe. Die Labyrinthe, die Kamran und mich zusammengebracht hatten.
    ***
    Als die Arbeiten der Kunstausstellung abgebaut waren, flatterte ein Zettel aus meinem Spind. Handschriftlich, in winzigen, krakeligen Buchstaben stand da: Triff mich unter dem Pflaumenbaum .
    Ich las den Zettel wieder und wieder. Und den Rest des Tages schwebte ich nur so durch den Unterricht. Als es zum Schulschluss klingelte, traf ich Kamran. Er stand neben seinem Motorrad, den Helm in der einen Hand und einen zweiten in der anderen.
    »Ich hab eine Überraschung für dich. Steig auf.« Bevor ich eine Chance hatte zu fragen, wohin die Fahrt gehen sollte, setzte er mir einen Helm auf, zog seinen über, schnallte unsere Taschen fest und schwang sich aufs Motorrad. Ich klammerte mich fest an ihn, und sein leicht süßer Duft benebelte meine Sinne.
    Während wir die kurvigen Straßen entlangfuhren, konnte ich die ganze Zeit nur daran denken, wie gut es sich anfühlte, meinen Körper so nah an seinem zu haben und wie ich seine Wärme durch jede Schicht meiner Kleidung spürte. Wir fuhren hoch nach Capitol Hill, wo Vergangenheit auf Gegenwart prallt, in einem gewaltigen Gewirr von Sandsteinhäusern und Herrenhäusern, Durchreisenden und Zugezogenen, einer unendlichen Farbenpracht, Kunst und Selbstdarstellung. Das Chaos all der Fußgänger, exotische und fremde Gerüche und tausend andere Eindrücke strömten auf uns ein.
    »Hier, das ist der Laden meiner Eltern«, rief er und deutete auf das Café Shiraz, einen Imbiss, durch dessen offene Tür ein Duft von Zimt und Knoblauch entwich.
    »Wollen wir rein?«
    »Später vielleicht.«
    »Wohin gehen wir dann?«
    Er ergriff meine Hand mit seinen flinken, weichen Fingern. »Frag nicht, es soll eine Überraschung sein.«
    Gewerbegebäude gingen über in Apartments aus Sandstein und in der Nähe vom Cornish College of the Arts ragten riesige Nadelbäume in den Himmel. Kamran fuhr auf den Parkplatz des Campus und ging mit mir durch die schweren Buntglastüren, wo eine Kunstausstellung stattfand: Reisen durch Raum und Zeit.
    Später aßen wir Kebabs, Hummus und die berühmten gefüllten Feigen seiner Mutter. Wir unterhielten uns über Lichtquellen und Fluchtpunkte, über das MIT und die Baird. Er erzählte mir, wie seine Eltern alles hinter sich gelassen hatten, um hierherzukommen und ein Restaurant zu eröffnen. Ich erzählte ihm von meinen Eltern und wie sie sich in ihre Arbeit verkrochen. Ich wollte alles über Physik wissen. Und er über Kunst. Ich war kurz davor, ihm von Xanda zu erzählen.
    Als wir später unsere Einfahrt hochfuhren, brannte im Arbeitszimmer und im Keller Licht. Mutter und Vater, jeder in seinem Reich. Kamran und ich setzten uns auf den Bordstein unter den Rhododendron, genau da, wo Andre damals seinen grünen Wagen, diesen Impala, geparkt hatte und dann mit Xanda in der Tiefe der Nacht verschwunden war. Wir beobachteten den Himmel, wie er die Farbe von Graugold zu Graulila wechselte, es sah aus wie ein Überbleibsel der Gemälde, die wir im Cornish gesehen hatten, als wir Hand in Hand die Gänge entlanggeschlendert waren. Er war so nah, dass ich glaubte, seine raue Jacke an meiner Haut spüren zu können.
    »Komm, du hast mir noch nichts über deine Gedichte erzählt.«
    »Äh, richtig.« Er grinste. »Du meinst, als ich deine Labyrinthe nachgezeichnet habe?«
    »Ehrlich gesagt, ja. Also, wo ist nun dieses sogenannte Gedicht, zu dem dich meine Labyrinthe inspiriert haben?«
    »Oh, das?« Er streifte mit den Fingern durch sein zerzaustes Haar, die olivgrünen Augen blinzelten durch die dichten, dunklen Wimpern. »Das willst du wirklich nicht lesen.«
    »Doch, klar will
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