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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis
Autoren: Holly Cupala
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letzter Zeit. Und … wir werden beide hier sein …« Er wippte mit der Ferse, wie er es immer tat, wenn ihm etwas Sorgen machte. »Und ich habe gedacht, dass du vielleicht recht hattest, vielleicht sollten wir …«
    Er war kurz davor, die Worte auszusprechen, die ich immer hatte hören wollen. Aber jetzt kam es mir total falsch vor – die richtigen Worte zur falschen Zeit, am falschen Ort und aus den falschen Gründen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als Nein zu sagen.
    »Nein?« Er blinzelte, ein kurzer Wimpernschlag.
    »Nein.« Ich sprach das Wort mit fester und überzeugter Stimme aus. Er sah mich verwirrt an und ich schloss die Augen. Was würde Xanda sagen? Ich wusste es nicht, aber ich wusste, was ich ihm sagen musste.
    Auf dieser Bank unter der Sonnenuhr erzählte ich ihm, was ich in der Nacht des Winterballs hatte sagen wollen: dass ich in ihm den Schlüssel gesucht hatte, der mir die Tür zum Leben meiner Schwester öffnen würde, dass ich ihn zum Abbild eines anderen geformt hatte, und am meisten, dass es mir leidtat.
    Seit diesem Tag an der Uni hatte er uns ein paarmal besucht, um Lexi und meine Eltern besser kennenzulernen. Und ich lernte auch ihn besser kennen – den wahren Kamran, nicht den Menschen, zu dem ich ihn gemacht hatte.
    »Er ist ein guter Junge«, sagte meine Mutter, nachdem er versucht hatte, ihr zu erklären, wie man Lammkebab zubereitet, während ich Lexi badete. Am Anfang war Kamran sehr unsicher gewesen, aber inzwischen hatte er Lexi ständig auf dem Arm.
    Hier am Cornish war Lexi quengelig und signalisierte eine bevorstehende Kernschmelze. Ich sah meinen Dad an, der anscheinend darauf wartete, was ich zu tun gedachte.
    »Danke«, sagte ich zu dem Studenten am Schalter und raste, mit meinem Dad dicht hinter mir, nach draußen.
    Kalte Luft schlug uns entgegen. Es fühlte sich gut an, wie eine saubere Brise nach einem Sturm. Im Freien nahm Lexis Geschrei gewaltige Ausmaße an. Ich schaukelte und wiegte sie und gab mein Bestes, um sie für die Besichtigung zu beruhigen.
    »Zu dumm, dass deine Mutter nicht mitgekommen ist«, sagte mein Vater. Er fühlte sich immer noch unwohl in seinen neuen Rollen als neu entdeckter Vater, verbesserter Ehemann und übender Großvater.
    »Es ist okay«, sagte ich zu Dad, obwohl ich nicht wirklich davon überzeugt war, dass ich Lexi beruhigen könnte. »Ich krieg das schon auf die Reihe. Außerdem schreibt Mom bestimmt schon am Manuskript für die nächste Weihnachtsaufführung.«
    Mom hatte versprochen, dass dieses Jahr alles anders werden würde. »Ich werde dich nicht bitten, mitzumachen«, sagte sie in einem untypischen Anfall von Schüchternheit. »Außer du möchtest es. Du und Essence. Und Lexi.« Ich fragte mich, welche Rolle sie für Lexi eingeplant hatte – nur meine Mom konnte damit durchkommen, dem Jesuskind ein anderes Geschlecht zu geben.
    Lexi zu schaukeln half nicht. »Ich versuch’s mal mit Laufen«, sagte ich. Wir gingen in Richtung Garten. »Es ist Zeit für den großen College-Rundgang«, sang ich, aber Lexi hörte eindeutig nicht zu, außer vielleicht ihrem eigenen beeindruckenden Geschrei.
    Vielleicht war diese Tour doch keine so gute Idee gewesen. Ich fing wieder an, sie zu schaukeln, in der Hoffnung, sie würde einschlafen. Ich stellte mir vor, wie ich schaukelnd im Unterricht stehen würde, schaukelnd an der Staffelei, schaukelnd bei der Abgabe meiner Mappe, schaukelnd beim Empfang meines Diploms … überall schaukelnd, nur um Lexi davon abzuhalten, einen ihrer Vulkanausbrüche zu bekommen.
    Ein paar Mädchen liefen kichernd an uns vorbei. Sie waren in ein pinkfarbenes Handy vertieft und schwangen schicke Umhängetaschen auf ihren Hüften. Ich hätte eine von ihnen sein können , dachte ich, wenn ich ein paar andere Entscheidungen getroffen hätte . Sie gurrten Lexi zu, als sie an uns vorbeiliefen.
    Ohne die Schwangerschaft, die mich immer zum Schwitzen gebracht hatte, musste ich Jacke und Schal eng um uns beide wickeln, um uns warm zu halten. Dad legte seinen Arm um mich. In der Ferne sah ich die Berge unter einer Schicht frischem weißen Schnee liegen. »Ich sage es nicht oft, Miranda, aber ich dachte, du solltest wissen, dass ich sehr stolz auf dich bin. Es ist nicht immer leicht, das zu beschützen, was man liebt. Manchmal kann man es einfach nicht. Aber es ist immer richtig, es zu versuchen. Ich weiß, dass Xanda auch stolz auf dich wäre.«
    »Danke, Dad.« Ich nahm ihn in die Arme und drückte ihn. Die Zukunft
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