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Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)

Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)

Titel: Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)
Autoren: Olaf Kutzmutz
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kommentiert zackig das Geschehen: »Schnell war das Geschäftliche geregelt … und wenig später hatte Dod Osbourne die Verfolgung des Diebes wieder aufgenommen.« Was lernen wir daraus? Gerade bei Übergangsszenen wäre ein Autor schlecht beraten, die ganze Welt zu schildern – und keinesfalls sollte er den Zettelkasten seiner Recherche ins Buch entleeren.

VI. Der Walfänger an der Bergspitze: über Zufälle
    Übel meinende Zeitgenossen werden Dodos Nebenfiguren vorwerfen, dem Helden wie Götter des Zufalls stets das Rechte zur rechten Zeit zu reichen. Zugegeben: Dodo setzt dermaßen auf Zufälle, dass man beinahe davor warnen könnte. Käme der Text nicht so leichtfüßig und als schreibhandwerkliches Lehrstück daher, dürfte man dem Autor solche Kühnheit ankreiden. Ohne den verunfallten wie spendablen Milliardär zu Beginn käme Dod beispielsweise nicht an sein Flugzeug, ohne das Schwert des Zufalls wäre er im Kampf gegen Rod verloren, ohne den zufällig bröckelnden Fels käme weniger Spannung auf – und rein zufällig landet Weltraumfahrer Dod auf einem Walfänger, auf dem ihn sein Gegenspieler erwartet.
    Dodo steht zu seinen Zufällen, nennt sie gar beim Namen. Gleichwohl seien gerade Schreibanfänger gewarnt vor zu viel Wundersamem. Wie schnell unkt der Leser, die Handlung verlaufe beliebig. Bei Dodo fügt sich jeder Zufall subtil ins Gesamtgefüge, wie sich an einer Episode der Geschichte zeigen lässt. Als Dod seinen ersten großen Kampf gegen Rod kämpft, entschwebt der Sessel »wie von Geisterhand« dem Haus des Verbrechers. Was ist geschehen? Der Kapitän eines Walfängers, der zufällig vorbeisegelt, harpuniert den Sessel durchs Fenster im Glauben, es sei der lange gesuchte dunkelblaue Wal. Wie aber kommt ein stattliches Schiff auf Hochgebirgsniveau? Und woher kommt plötzlich das ganze Wasser, das den Berg wie eine Insel aus dem Meer ragen lässt? Im Nu löst Doktor Dodo diese Unmöglichkeit mit einem Griff in seinen Schreibhandwerkskoffer auf: »Übrigens war vor kurzem der große Staudamm gebrochen. Materialermüdung. Eine große Überschwemmung war die Folge.« – So macht man das!

VII. Originalität und Niveau
    An der Hürde Originalität straucheln viele Autoren; das bemerkten wir eingangs bei Dodos Widerstand gegen Robert Benchley. Dodo ist sich dessen in einer heiklen Schreibsituation bewusst, als sein Held bei einem Sturz in die Tiefe auf mirakulöse Weise einen rettenden Ast ergreift. »Gab’s das nicht schon mal irgendwo?« grübelt er, »Klischees soll man meiden …« Da alle Geschichten in der Literatur bereits erzählt sind, scheint es Dodo unvermeidlich, Bewährtes zu verwenden. »Nur weil irgendjemand schon mal dieselbe Idee hatte, muss man sich ja nicht gleich was Neues ausdenken.« Für eine Zeit reicht diese forsche Vergewisserung, bis Dodos Autorenethos den Umschwung bringt: »Ich will etwas Neues machen! Etwas Kühnes, noch nie da Gewesenes!« Hier sehen wir den genialischen Schreibgott in Dodo mit dem emsigen Schreibhandwerker ringen und bemerken eine Läuterung des Autors. Er überdenkt seinen schroffen Umgang mit Benchley, als wollte er sagen: Ein großer Autor klebt nicht an Prinzipien! Zum Segen des Buchs bedient sich Dodo skrupellos in der kulturellen Welt und lässt auf diesem Nährboden Eigenes gedeihen.
    So zitiert er beispielsweise die erste von Novalis’ Hymnen an die Nacht in der Prosafassung, was Dods Sturz literarisch überhöht und in einer kritischen Schreibphase das Niveau des Bestsellers sichert: »›Abwärts wend ich mich‹, dachte Dod Osbourne, ›zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht.‹« Am Schluss greift Dodo erneut in den Kulturfundus, als er uns den Filmklassiker Casablanca ins Gedächtnis ruft: »›Rod‹, sagte Dod Osbourne, ›ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.‹«
    An diesen Stellen peppt Belesenheit und Kenntnis kultureller Vorarbeiter den Text auf. Dodo verwendet in seinem unterhaltsamen Text Hochliterarisches neben Anspielungen, die ein breites Publikum versteht. Bildungsbürger sind darüber gleichermaßen glücklich wie Freunde der Popularkultur – ein Buch für alle. Beide Lesergruppen begreifen Dodos Geschichte selbst dann, wenn sie nicht um die Herkunft der Zitate wissen. Aber nur Kenner spüren jenen wohligen Schauer des Wiedererkennens, der für so manchen das Leseglück vollkommen macht.

VIII. Von der Schreibblockade bis zur heilsamen Pause
    Besonders nah kommt uns der Autor,
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