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Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)

Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)

Titel: Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)
Autoren: Olaf Kutzmutz
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und träumt vom unerhört Neuen, das erst die vielen Schriften ermöglichen, die hinter ihm liegen. Das sieht für den Betrachter furios aus, macht den Einstieg ins Schreiben für Dodo jedoch nicht einfacher. Bei aller Sorgfalt für den ersten Satz – er ist Visitenkarte fürs Werk und soll zum zweiten verleiten – sind pragmatische Lösungen durchaus ratsam. Sonst bleibt das Schreibpapier weiß wie die Eisscholle, auf der Dodos Held und Gentlemanabenteurer, Dod Osbourne, vom Pol heimkehrt. Dodo umschifft die Untiefen des Beginns routiniert – »Also gut. Ich fange erst mal mit dem zweiten Satz an. Wozu sich das Leben unnötig schwer machen.« – und geht auf Nummer sicher: »Der Held der Geschichte gerät in eine unglaubliche Situation.«
    Was heißt das für den nachahmenden Autor? Er muss vom Besonderen erzählen, wenn er den Leser fesseln möchte. Nach einer alten Hollywoodregel startet man mit einem Weltuntergang und steigert sich dann langsam. Wer in seinem Text trotzig nicht auf stete Veränderung und Wendepunkte setzt, muss um die Gefahren wissen, von denen im dritten Kapitel die Rede ist. Zunächst aber zum Personal der Geschichte.

II. Von der Gestalt und Zahl der Figuren und ihren Räumen
    Wem der erste Satz einfällt, dem schweben meist schon zentrale Figuren vor. Schauen wir uns in dieser Hinsicht das Personal von Doktor Dodo an. Zunächst treffen wir auf unseren Autor und Schreiblehrer selbst. Sein akademischer Grad und die bügellose Intellektuellenbrille schaffen Vertrauen in sein Können, die Gewandung wirkt apart: ein roter Bademantel mit hellgrünem Revers und passendem Käppi. Darunter zart hervorlugend ein rosa-weiß gestreiftes Beinkleid, wohl eine Schlafanzughose. Der Autor ist spendabel, was die Menge der Figuren angeht. In der Reihenfolge des Auftretens begegnen wir dem Gentlemanabenteurer Dod Osbourne, dem Milliardär J. Pierpont Dodo, einem Gebrauchtflugzeughändler, einem Dieb und einem Schurken, der sich später als Dods Zwillingsbruder, Rod Osbourne, entpuppt. Im Verlauf der Geschichte wird Dodos Personal immer exotischer. Wir treffen auf den einsamen Cowboy Hopalong Dodo, einen außerirdischen Raumfahrer nebst Volk, König und Prinzessin, dann noch auf Kapitän und Mannschaft eines Walfängers. Den Figurenreigen vollenden ein Kellner im Café des Artistes und der Nervenarzt Professor Siegmund.
    Ein Dutzend Figuren, Volk und Mannschaft nicht eingerechnet – zu viel für ein Werk von zweiunddreißig Seiten? Mitnichten, denn Dodos Prinzip der Einfachheit rückt vor allem zwei Figuren ins Blickfeld: Dod und Rod Osbourne; rechnen wir Dodo als Macher hinzu, sind es drei. Unser Schreibcoach lehrt uns, ökonomisch mit Haupt- und Nebenfiguren umzugehen, ohne auf Stimmungen zu verzichten. Viele Figuren treten im Comic nur ein Mal auf, mitunter ohne Text. Sie bleiben am Rande, sorgen jedoch als atmosphärische Subwoofer für die Untertöne der Geschichte. Das geht bis in liebevolle Details der Figurenzeichnung. So tragen die Bewohner des Kaffeeplaneten – je nach Rang und Geschlecht – unterschiedliche Kopfbedeckungen: Das gemeine Volk setzt sich handelsübliche, vermutlich spülmaschinenfeste Kaffeetassen auf, die Prinzessin krönt ein Hauch von Espressotässchen, und der König bringt es zu einer veritablen Kanne auf dem Herrscherhaupt.
    Als »Identifikationsfigur« sieht Doktor Dodo »einen erstklassigen Helden«, Dod Osbourne, vor. Durch seine Polarexpedition weiß man, was er zu leisten vermag. Dodo schafft ihn nur scheinbar aus dem Nichts, sondern schaut ihn – das Gute liegt so nah – dem Leben ab: als Figur, die dem Autor in der Gestalt höchst ähnlich und von Mut und Weltläufigkeit – hier hören die Anleihen aus der Wirklichkeit auf – völlig verschieden ist. Damit aus den Hauptfiguren keine Pappkameraden, sondern dreidimensionale Charaktere werden, erhalten sie von Doktor Dodo »psychologische Tiefe und Glaubwürdigkeit«. Und wie ließe sich das literarisch souveräner lösen, als sie zum Nervenarzt zu schicken? Sehr geschickt von Doktor Dodo, wenngleich derartige Szenen nicht als Standard für jedes Schreibprojekt taugen, das auf einen differenzierten Figurenbau zielt.
    Was nützen indessen die besten Figuren, wenn sie keine Orte besuchen, zu denen ihnen der Leser gern folgt? Aus diesem Grund baut der Autor in seinen Text Elemente aus Liebes- und Kriminalgeschichten ebenso ein wie solche aus Märchen, Abenteuer- oder Sciencefiction-Romanen. Vielfältig wie die Genres
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