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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer
Autoren: Harald Schneider
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Spurensicherung so alles gefunden hat, Reiner. Ich denke, es wird besser sein, mor gen früh wieder eine Teamsitzung abzuhalten, was meinst du dazu?«
    »Ja klar, morgen früh, das passt schon. Bis dann, Ger hard.«
    Ich legte auf.
    Ich schloss mein Haus gründlich und gewissenhaft ab und fuhr mal wieder Richtung B 9. Diesmal blieb ich aber am Rheingönheimer Kreuz auf dieser Bundesstra ße, die hier angeblich aus Lärmschutzgründen bis nach Frankenthal mit einem 80-Stundenkilometer-Limit ver sehen war. Dass dieses Tempolimit für die meisten Auto fahrer entweder nicht leicht oder größtenteils überhaupt nicht nachzuvollziehen war, bewiesen die hohen Tempo verstoßquoten, die regelmäßig in der Tageszeitung veröffentlicht wurden.
    Ich tuckerte also auf diesem kastrierten Bundesstraßen- Highway als Verkehrshindernis mit unendlich langsamen 90 Stundenkilometern dahin, während mich zahlreiche Lkws und noch viel mehr Pkws überholten.
    Dann fiel mir wieder Stefanie ein. Schlagartig war mei ne spannungsgeladene Euphorie hinüber. Ich musste sie dringend anrufen, bevor es zu spät war. Doch die Gele genheit war in diesem Moment nicht besonders günstig. Mein Handy musste bis zur Ankunft in Frankenthal im Handschuhfach bleiben.
    Ich nahm die erste Abfahrt und hielt nach kurzer Zeit an einer Tankstelle an. Mein Kalorienpegel war schon längst wieder in den roten Bereich gerutscht. Im Verkaufsraum schnappte ich mir die üblichen Schokoriegel in unübli cher Menge. Zusammen mit zwei Tetrapaks Orangensaft und einem Päckchen Kaugummi stellte ich mich an die Kasse.
    »Guten Abend, der Herr«, sprach mich eine Tankstel lenhilfe mit unidentifizierbarem Geschlecht an. Wahr scheinlich ein ›Tokio-Hotel‹-Fan, dachte ich und dabei fiel mir ein Titelbild einer Karikaturzeitschrift ein. Dar auf waren die vier Jungs von ›Tokio Hotel‹ abgebildet mit dem Schriftzug ›Vier gute Gründe gegen das Kinderkrie gen – dann lieber aussterben‹.
    »Na, was haben Sie bei Ihren Kindern wieder gut zu machen?«, grinste er oder sie mich an.
    Ich verstand ihn oder sie nicht, was er oder sie wohl bemerkte.
    »Na, die viele Schokolade werden Sie doch wohl nicht alleine essen können!«
    Ich verkniff mir eine wüste Beschimpfung und bezahl te wortlos. Wenigstens reichte er oder sie mir für meinen Einkauf noch eine Plastiktüte über die Theke.
    Nachdem ich die Tüte auf den Beifahrersitz gepfeffert hatte und mich gerade auf den Fahrersitz fallen lassen woll te, bemerkte ich einen weißen Audi, der am Straßenrand hielt. Ich bekam fast einen Apoplex, als ich Dietmar Be cker auf der Beifahrerseite aussteigen sah.
    Der Audi fuhr wieder an, Becker schulterte seinen Rucksack und sah sich um. Da wir nur etwa fünf Meter auseinander standen, bemerkte er mich rasch. Daraufhin änderte sich seine Gesichtsfarbe ebenfalls. Nur seine Spra che konnte diesem Tempo nicht standhalten.
    »Guten Abend, Herr Becker. Machen Sie einen Aus flug nach Frankenthal? Hätten Sie mir etwas gesagt, dann hätte ich Sie gerne mitgenommen, und Sie hätten sich das Trampen ersparen können.«
    »Äh, ja, äh, hallo Herr Palzki. Das ist ja mal ein Zufall. Wie klein doch die Welt ist. Ich bin mit ein paar Freun den zum Kneipenbummel verabredet«, log er mit hoch rotem Kopf.
    »Mensch, Becker«, schoss ich ihn verbal an, »was soll der Scheiß? Sie haben mir doch selbst den Tipp mit Sieg fried gegeben!«
    Der Student suchte immer noch verzweifelt nach pas senden Worten.
    »Herrje, los, steigen Sie schon ein, bevor ich Sie wie der über den Haufen fahre. Wir haben ja schließlich das gleiche Ziel, oder?«
    Dietmar Becker gehorchte wie ein kleiner Junge. Er setzte wieder seinen Rucksack ab und warf ihn bei mir in den Fond.
    Nachdem wir das Tankstellengelände verlassen hatten, wollte ich Genaueres von ihm wissen.
    »Was wissen Sie eigentlich über Sinn und Zweck der Zu sammenkunft Siegfrieds und seinen Geschäftspartnern?«
    Sein Puls hatte sich inzwischen wieder weitgehend normalisiert und er konnte nach ein paar weiteren tiefen Atemzügen antworten.
    »Tut mir leid, Herr Palzki, dass ich Ihnen schon wieder in die Quere komme. Ich konnte nicht ahnen, dass Sie an der Tankstelle warten.«
    »Ich habe nicht an der Tankstelle gewartet. Außerdem ahnte ich nicht, dass Sie vor meiner Nase aus einem Auto aussteigen.«
    »Sie haben recht, ich bin hierher getrampt. Wie Sie wis sen, habe ich zurzeit keinen eigenen Wagen. Was Siegfried betrifft, weiß ich nicht mehr, als ich Ihrem
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