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Ernten und Sterben (German Edition)

Ernten und Sterben (German Edition)

Titel: Ernten und Sterben (German Edition)
Autoren: Peter M Hetzel
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Abwechslung nicht mal einfach deine Klappe halten?«, fragte der, der auf dem Gymnasium gewesen war. Sein Kollege war einfach ein hoffnungsloser Fall. »Außerdem sind wir gleich da. Dann kannst du ja in aller Ruhe mit dem Künstler persönlich reden. Scheint dich ja mächtig zu interessieren. Wir sollten uns beeilen, weil wir uns in der Zentrale nicht abgemeldet haben.«
    Der Fahrer hielt die Klappe und ließ den Wagen mit Effet übers Kiesbett driften.
    Wenig später standen sie wie zwei Konfirmanden vor der massiven Holztür des alten Schulgebäudes, rückten ihre Krawatten zurecht und kneteten verlegen ihre Dienstmützen durch. Doch auf ihr Klingeln erfolgte keinerlei Reaktion im Haus. Ungeduldig klopfte der Fahrer an die Tür. Nichts.
    »Ich geh mal ums Haus und seh nach, ob die Herrschaften überhaupt da sind«, meinte er.
    »Peter 1 an Peter 12. Peter 1 an Peter 12«, verlangte der Polizeifunk im Wagen.
    »Schalt das Ding aus, es nervt!« Die eine Hälfte von Peter 12 machte sich auf den Weg zur Rückseite des Hauses. Der hochgewachsene Polizist hatte kaum Mühe, durch die Fenster zu blicken. Als Erstes erspähte er ein unberührtes Ehebett.
    Die arbeiteten doch nicht etwa schon. Künstler standen nie vor zwölf Uhr mittags auf. Das wusste er genau.
    Erstaunlicherweise besaß auch die Speisekammer ein großes Fenster. In den Regalen stapelten sich Brote und andere Backwaren.
    Das waren keine Künstler, das waren Bäcker, schoss es dem Polizisten durch den Kopf. Wäre interessant zu wissen, ob die einen Gewerbeschein hatten.
    Eine kurze Treppe führte zur Küche hinauf, doch hier waren die Fenster von innen beschlagen. Da half auch krampfhaftes Wischen nicht. Auf den Ruf »Jemand zu Hause?« bekam er keine Antwort. Ein entschiedener Griff an der Türklinke führte ebenfalls nicht zum Erfolg. Von innen abgeschlossen.
    In der großen Glasfront fehlte ein kleiner Teil, aus dem Loch zog deutlich sichtbar Rauch. Der Polizist schaute sich nach einer Leiter um und entdeckte bald eine, die an der Wand der alten Turnhalle lehnte. Sie war aus solidem Holz und zu schwer für einen Mann allein.
    »Komm zu mir nach hinten. Und schwing die Hufe!«, rief der Polizist seinem Kollegen zu, der noch vorn an der Eingangstür wartete. Murrend setzte der Mann sich in Bewegung.
    Auf diesen Augenblick hatte Egon-Erwin nur gewartet. Er nahm genau die entgegengesetzte Richtung ums alte Schulgebäude und versteckte sich hinter einem Mauervorsprung.
    Nun versuchten die zwei Streifenpolizisten, eine Leiter aufzurichten, was zu einigen echten Slapstick-Momenten führte. Doch dann gelang dem Hochgewachsenen der Aufstieg. Vorsichtig versuchte er, einen Blick nach innen zu werfen, sah aber nichts. Er schaute achselzuckend zu seinem Kollegen hinunter. Nach einem weiteren, diesmal längeren Spähen ins Gebäude drehte er zum zweiten Mal den Kopf weg, doch diesmal hatte er die Hand vor dem Mund. Beim dritten Mal erbrach er sein Frühstück direkt auf die Fensterfront.
    Sein Kollege ergriff die Flucht und wartete in einigen Metern Entfernung. Die Leiter geriet bedenklich ins Schwanken, aber der frisch Erleichterte rutschte wie ein Feuerwehrmann an den glatten Seiten die Leiter hinunter. Unten angekommen blieb er schwer atmend sitzen. Sein Kollege kümmerte sich rührend um ihn und zauberte aus seiner Uniformjacke eine Dose mit einem sündhaft süßen Energydrink, die der geschockte Polizist behutsam leerte.
    Egon-Erwin hatte genug Fotos geschossen und nahm den kürzesten Weg zu seinem Auto. Warum musste er sich immer mit dem Unterholz herumärgern? Mal pickten ihn Dornen, dann bekam er wie ein Galeerensträfling Peitschenhiebe auf den Rücken. Außerdem schwirrten Milliarden Insekten durchs Dickicht. Mit erstaunlich wenig Blessuren erreichte er schließlich seinen Wagen, der mittlerweile eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Apfelschimmel aus »Pippi Langstrumpf« hatte. Alle Löcher waren kunstvoll geschweißt und gespachtelt worden. Nur stand sein morbide wirkendes Gefährt nicht vor der Villa Kunterbunt, sondern vor der Schule des Grauens.
    Im Minutentakt trafen immer mehr Streifenwagen ein, das Gelände wurde weiträumig abgesperrt. Die Besatzung des Rettungswagens versorgte den Polizeibeamten, dessen weiße Gesichtsfarbe sich mittlerweile in ein unnatürliches Grau verwandelt hatte. Egon-Erwin dokumentierte das Geschehen mit einem lichtstarken Tele-Zoom, bis ihm die Kollegen den Blick versperrten und die Übertragungswagen der
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