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Ernest Hemingway

Ernest Hemingway

Titel: Ernest Hemingway
Autoren: Ernest Hemingway
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das Denken, soweit er konnte, außer, wenn er schrieb; aber jetzt dachte er über jene, die spielten, nach und über das, was der Kleine gesagt hatte.
    Religion ist Opium fürs Volk. Der glaubte das, der magenkranke kleine Budiker da! Ja, und Musik ist Opium fürs Volk. Der alte ‹Steigt mir zu Kopf› hatte nicht daran gedacht. Und jetzt ist Nationalökonomie Opium fürs Volk zusammen mit Patriotismus, der Opium fürs Volk in Italien und Deutschland ist. Wie stand es mit Geschlechtsverkehr? War das Opium fürs Volk? Für manche Leute. Für manche der besten Leute. Aber Suff war ein allmächtiges Opium fürs Volk, oh, ein ausgezeichnetes Opium. Obschon manche das Radio vorziehen, noch ein Opium fürs Volk, ein billiges, das er gerade benutzt hatte. Dazu gehörte auch jede Art von Glücksspiele in Opium fürs Volk, wenn’s je eines gegeben hatte, eines der ältesten. Ehrgeiz war auch eines, ein Opium fürs Volk, dazu der Glaube an jede neue Regierungsform. Was man wollte, war das Mindestmaß an Regierung, immer weniger Regierung. Freiheit, an die wir glaubten, jetzt der Titel einer MacFaddenschen Broschüre. Wir glaubten daran, obschon man dafür noch keinen neuen Namen gefunden hatte. Aber was war das Wahre? Was war das wahre, wirkliche Opium fürs Volk? Er wußte es sehr wohl. Es hatte sich nur gerade ein klein wenig um die Ecke entfernt, aus jenem hell beleuchteten Teil seines Verstandes fort, der abends nach zwei oder mehr Glas Alkohol da war, von dem er wußte, daß er da war. (Er war natürlich nicht wirklich da.) Was war es? Er wußte es sehr wohl. Was war es? Natürlich! Brot war das Opium fürs Volk. Würde er sich daran erinnern, und würde es bei Tageslicht standhalten? Brot ist das Opium fürs Volk.
    «Hören Sie mal», sagte Mr. Frazer zu der Schwester, als sie hereinkam. «Schicken Sie mir doch bitte den dünnen kleinen Mexikaner, ja?»
    «Wie gefällt es Ihnen?» fragte der Mexikaner an der Tür.
    «Sehr gut.»
    «Es ist eine historische Melodie», sagte der Mexikaner. «Es ist die Melodie der echten Revolution.»
    «Hören Sie mal», sagte Mr. Frazer. «Warum soll das Volk ohne Betäubungsmittel operiert werden?»
    «Ich verstehe nicht.»
    «Warum sind nicht alle Opiums fürs Volk gut? Was wollen Sie denn mit dem Volk machen?»
    «Man sollte es aus seiner Unwissenheit erlösen.»
    «Reden Sie keinen Unsinn. Bildung ist Opium fürs Volk. Sie sollten das wissen. Sie haben ein bißchen davon abbekommen.»
    «Sie glauben nicht an Bildung?»
    «Nein», sagte Mr. Frazer, «an Wissen, ja.»
    «Da kann ich Ihnen nicht folgen.»
    «Sehr oft macht es mir selbst kein Vergnügen, mir zu folgen.»
    «Wollen Sie die Cucaracha noch einmal hören?» fragte der Mexikaner besorgt.
    «Ja», sagte Mr. Frazer. «Spielen Sie die Cucaracha noch einmal. Es ist besser als Radio.»
    Revolution, dachte Mr. Frazer, ist kein Opium. Revolution ist eine Katharsis, eine Ekstase, die nur durch Tyrannei verlängert werden kann. Die Opiums sind für vorher oder für nachher. Er dachte scharf, ein bißchen zu scharf.
    Nun würden sie bald gehen, dachte er, und sie würden die Cucaracha mit sich nehmen. Dann würde er einen kleinen Schluck von dem Rattengift trinken und Radio spielen; man konnte das Radio so spielen, daß man es kaum hörte.

Väter und Söhne
    In der Mitte der Hauptstraße der Stadt war ein Umleitungszeichen gewesen, aber Autos waren ganz offensichtlich durchgefahren, also fuhr Nicholas Adams in der Meinung, daß es sich um Straßenarbeiten handelte, die beendet waren, durch die Stadt, die leere, ziegelsteingepflasterte Straße entlang, von Verkehrslichtern angehalten, die an diesem verkehrslosen Sonntag an-und ausgingen und die nächstes Jahr verschwunden sein würden, wenn die Zahlungen für die Anlage nicht geleistet wurden; weiter, unter den dichten Bäumen der kleinen Stadt, die dir ans Herz gewachsen sind, wenn es deine Stadt ist und du unter ihnen einhergegangen bist, die aber für einen Fremden nur zu dicht sind, die Sonne aussperren und die Häuser feucht machen; hinaus, hinter dem letzten Haus, auf die Landstraße, die mit sauber abgeschrägten roten Lehmböschungen und dem Baumnachwuchs zu beiden Seiten direkt vor ihm anstieg und abfiel. Es war nicht sein Land, aber es war mitten im Herbst, und all dies Land war gut zum Durchfahren und Betrachten. Die Baumwolle war gepflückt, und in den Lichtungen waren Getreidefelder, manche mit rotem chinesischem Zuckerrohr durchsetzt, und er fuhr gemächlich dahin,
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