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Ernest Hemingway

Ernest Hemingway

Titel: Ernest Hemingway
Autoren: Ernest Hemingway
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völlig unter Wasser, so groß wie die ganze Welt. Ich trieb im Boot über ihn weg. Er lag auf der Seite, und das Heck war tief unter Wasser. Die Bullaugen waren alle fest geschlossen, und ich konnte das Glas im Wasser glitzern sehen und seinen ganzen Umfang. Das größte Schiff, das ich je im leben gesehen habe, lag da, und dann fuhr ich seine ganze Länge ab, und dann fuhr ich rüber und warf Anker, und ich schob das Skiff auf dem Deck nach vorn und ins Wasser runter und ruderte zu ihm raus mit all den Vögeln um mich rum.
    Ich hatte ein Wasserglas, wie wir’s beim Schwammfischen benutzen, und meine Hand zitterte so, daß ich es kaum halten konnte. Alle Bullaugen waren geschlossen, das konnte man sehen, wenn man drüber und dran entlangfuhr, aber tief unten, dicht am Boden, mußte etwas offen gewesen sein, weil da die ganze Zeit über Stücke von irgendwas raustrieben. Man konnte nicht erkennen, was es war. Einfach Stücke. Hinter denen waren also die Vögel her. So viele Vögel hast du im Leben nicht gesehen. Sie waren überall um mich rum; verrücktes Geschrei.
    Ich konnte alles klar und deutlich sehen. Ich konnte seine Rundung sehen, und unter Wasser sah er über einen Kilometer lang aus. Er lag auf einer hellen weißen Sandbank, und die Spiere war der Art zufolge, wie er auf der Seite lag und sie aus dem Wasser ragte, ‘ne Art Fockmast. Sein Bug war nicht sehr tief unter Wasser. Ich konnte auf dem Bug auf den Buchstaben seines Namens stehen, und mein Kopf war gerade über Wasser. Aber das nächste Bullauge war 12 Fuß unter Wasser. Ich konnte es gerade mit dem Bootshaken erreichen, und versuchte, es damit einzuschlagen, aber ich konnte es nicht. Das Glas war zu dick. Also ruderte ich zu meinem Boot zurück und holte einen Schraubenschlüssel und befestigte ihn am Ende des Bootshakens, aber ich konnte es nicht zerbrechen. Da sah ich nun runter durch das Glas auf den Passagierdampfer mit allem drin, und ich war als erster da, und ich konnte nicht in ihn rein. Er muß für fünf Millionen Dollar Werte in sich gehabt haben.
    Mir wurde ganz schwach bei dem Gedanken, was er alles in sich haben mußte. Drinnen, hinter dem Bullauge, das geschlossen war, konnte ich was sehen, aber ich konnte es durch mein Wasserglas nicht erkennen. Mit dem Bootshaken konnte ich nichts ausrichten, und ich zog meine Sachen aus und stand da und holte ein paarmal tief Atem und sprang vom Heck aus mit dem Schraubenschlüssel in der Hand hinab und schwamm hinunter. Ich konnte mich eine Sekunde lang an der Kante des Bullauges festhalten, und ich konnte reinsehen, und da war eine Frau drin, und ihr Haar flutete um sie rum. Deutlich konnte ich sie treiben sehen, und ich schlug mit dem Schraubenschlüssel zweimal fest gegen das Glas, und ich hörte das Geräusch in meinen Ohren klirren, aber es ging nicht in Scherben, und ich mußte wieder auftauchen.
    Ich hielt mich am Skiff fest und holte Atem, und dann kletterte ich rein, und dann holte ich ein paarmal Atem und tauchte wieder. Ich schwamm runter und klammerte mich mit den Fingern an der Kante des Bullauges fest und hielt sie fest und schlug, so fest ich konnte, mit dem Schraubenschlüssel gegen das Glas. Ich konnte durch das Glas sehen, wie die Frau im Wasser trieb. Ihr Haar war dicht am Kopf abgebunden, und es flutete im Wasser nach allen Seiten. Ich konnte die Ringe an ihrer einen Hand sehen. Sie war ganz nahe am Bullauge, und ich schlug zweimal gegen das Glas, und es bekam noch nicht mal einen Sprung. Beim Raufkommen dachte ich, ich schaffe es nicht bis nach oben, ohne Atem zu holen.
    Ich ging noch mal runter, und ich brachte dem Glas einen Sprung bei, aber bloß einen Sprung, und als ich raufkam, blutete meine Nase, und ich stand mit meinen nackten Füßen auf dem Bug des Passagierdampfers auf den Buchstaben seines Namens, mit dem Kopf gerade über Wasser, und ruhte mich aus, und dann schwamm ich zum Skiff rüber und zog mich dran hoch und rein und saß da und wartete ab, daß mir der Kopf nicht mehr so weh tat, und ich sah runter durch das Wasserglas, aber ich blutete so, daß ich das Wasserglas auswaschen mußte. Dann legte ich mich im Skiff zurück und hielt mir die Hand unter die Nase, um es aufzuhalten, und ich lag mit dem Kopf nach hintenüber und sah rauf, und da war ‘ne Million Vögel über mir und um mich rum.
    Als das Bluten aufhörte, warf ich noch einen Blick durch das Glas, und dann ruderte ich zu dem Boot rüber, um vielleicht was Schwereres als den Schraubenschlüssel zu
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