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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung
Autoren: Vanessa Dungs
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nun weh taten oder nicht. Hatte ich mir das jäh eingestanden?
    „Nicholas?“ Liz holte mich in die Gegenwart zurück. Sie stand am Auto und sah mich abwartend an. „Alles okay?“ Das hätte ich wohl sie fragen sollen.
    Ich öffnete den Wagen. „Ja.“ Nachdem wir eingestiegen waren, breitete sich eine ungewöhnliche Stille im Innern des BMWs aus. Irgendwie fremdartig, aber diese ganze Situation war auch seltsam. Ich ignorierte meine wirren Gedanken und konzentrierte mich darauf, den Wagen vom Parkplatz zu steuern. Wir fuhren auf die lange Allee, die zurück zum Haupteingang führte. Lesleys Anspannung war deutlich zu spüren, ihre kleinen Hände waren die ganze Zeit über zu Fäusten geballt. Ich vermied es, sie anzuschauen, zumal mir in diesem Moment ohnehin die passenden Worte fehlten. Sie hatte hierher kommen wollen und ich hatte es verstanden. Der Besuch war aber wohl nicht so verlaufen, wie sie es gewollt hatte, wobei ich nicht genau bestimmen konnte, warum sie so empfand. Sie hatte sich verabschieden wollen, doch vielleicht war genau dieser Umstand das Problem. Der Pförtner öffnete das Tor, sobald er uns sah. Er winkte uns noch zum Abschied zu, was ich mit einem Kopfnicken erwiderte, doch Liz sah nicht einmal auf. Also passierten wir die Hauptstraße, ohne dass ich wirklich wusste, wohin wir jetzt fahren sollten. Nach meiner Einschätzung würde sie sich bestimmt noch von Colette verabschieden wollen, also steuerte ich instinktiv Richtung Zentrum, um zum Campus zu kommen und in der Hoffnung, dass Lesley mir schon sagen würde, wo Colette eigentlich wohnte. Nach einigen Minuten konnte man bereits die ersten Dächer und Gebäudekomplexe des Claire College sehen. 
    Liz hob ihren Kopf und sie starrte mich an. „Wo willst du hin?“ Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln, ohne meinen Blick von der Straße wirklich abzuwenden.
    „Fehlt nicht noch jemand auf deiner Liste? Ich dachte, du möchtest dich vielleicht noch von Colette verabschieden.“
    „Das wollte ich auch“, ihre Stimme wurde leiser. „Du hattest recht, mein Leben ist nicht mehr so wie es war. Ich sollte, es dabei belassen. Ich glaube, ich kann es nicht ertragen, mich von Colette zu verabschieden, mir fehlt dafür die Kraft. Ich will nicht… ich kann nicht noch mehr lügen. Gott weiß wie ich das bei Theresa hinbekommen habe. Und bei meinem Vater… Tut mir leid.“
    Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. „Wofür entschuldigst du dich? Niemand hat behauptet, dass so etwas leicht sein würde.“ Ihre Niedergeschlagenheit war förmlich greifbar und ich wollte ihr sofort dieses Gefühl nehmen. „Wir können es auch auf ein anderes Mal verschieben“, schlug ich spontan vor. Meine innere Stimme knurrte bei dem Gedanken daran, aber ich ignorierte sie.
    „Wirklich?“
    „Warum denn nicht? Gut, es ist verboten, aber du könntest mich trotzdem davon überzeugen, dir diesen Gefallen ein weiteres Mal zu tun“, ich lächelte verschwörerisch. „Gib dir einfach etwas Zeit, um mit dieser neuen Lage zurecht zu kommen. Oder wie du willst, es liegt bei dir, sag´ mir einfach, wohin ich fahren soll.“
    „Normalerweise würde ich vorschlagen nach Hause zu gehen, aber ich weiß nicht, wo das jetzt sein soll.“
    Für mich gab es diese Priorität gar nicht mehr. Ich hatte von den Ältesten ein Gebiet zugewiesen bekommen und mich auch dort aufgehalten. Immer wieder eine neue Wohnung für ein paar Monate, so war es am unauffälligsten gewesen, doch Lesley wollte ich so etwas nicht zumuten.
    „Offen gestanden weiß ich momentan nicht, wo mein Platz sein wird. Bisher hat man mir immer gesagt, wo ich als nächstes eingesetzt werden soll. In den letzten Jahren war das immer England, doch ich weiß nicht, was der Rat als nächstes plant. Normalerweise wäre ich in der Position selbst zu entscheiden, da ich aber die Ausnahme von der Regel bin und ich noch nicht über die nötige vierhundertjährige Erfahrung verfüge, muss ich den Ältesten wohl klar machen, dass sich meine Zukunftspläne geändert haben.“ Ich lächelte sanft.
    „Dann sollten wir zurück nach Zürich fliegen.“ Sie nahm meine Hand von ihrer Schulter und küsste sie. „Von jetzt an ist mein zu Hause einfach da, wo du bist.“

 
    Der Nachfolger
     
     
    Lesley und ich betraten die Villa Hand in Hand. Rebecca stand in der Eingangshalle und informierte eine Mitarbeiterin am Empfang über Änderungen an der Telefonanlage. Sie bemerkte uns jedoch sofort, und als sie uns sah, erstarrte
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