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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
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konnte ihr noch so oft erklären, das sei die Uniform an der Wall Street, es nützte nichts. Ich erzähle dir nur von dem, was offen ausgetragen wurde. Anderes Gezeter hatte mit den Szenen im Schlafzimmer zu tun. Was immer da los war, Dad musste die Hälfte der Zeit im Gästezimmer schlafen. Manchmal stand sie in der Tür zum Gästezimmer und schrie ihn noch weiter an. Mit beiden in Little Compton zu sein, war am schlimmsten. Sie rieb ihm die ganze Zeit unter die Nase, dass es ihr Haus, ihre Möbel, ihr Tafelsilber, ihre Clubkarte, ihre Vettern, ihre Freunde seien. Noch schlimmer führte sie sich auf, wenn Dad mich mit nach Newport nahm, um seine Eltern zu besuchen. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, wie er das aushielt. Grandpa Snow hatte zu der Zeit schon seine Autowerkstatt verkauft und löste meistens Kreuzworträtsel oder legte Puzzles. Grandma arbeitete als Buchhalterin oder Büroleiterin für den neuen Besitzer. Sie waren liebe Menschen, sehr ruhig und würdevoll, und sie wohnten in einem hübschen Haus, das mir gefiel. Mom hatte es natürlich gesehen, und du hättest hören sollen, was sie über Aluminiumverkleidungen zu sagen hatte. Sie hatten getigerte Katzen, manchmal zwei, manchmal drei. Grandpa hatte ein paar kleinere Schlaganfälle, deshalb zog er das linke Bein nach, aber mit sei ner Sprache und seinem Kopf war alles in Ordnung. Natürlich zeigten sie sich nie in Little Compton. Dass Mom sie nicht auf ihrem Besitz haben wollte, konnten sie sich leicht zusammenreimen, viel Intelligenz brauchten sie dazu nicht. Schluss mit dieser Abschweifung. Ich wollte Mom nicht schlechtmachen, aber ich denke, du siehst jetzt, dass es nach diesem schrecklichen Sommer eine Erleichterung war, nicht mit ihnen unter einem Dach wohnen zu müssen.
    Als das zweite Semester in der Schule anfing, gab es eine Trennungsvereinbarung, und sie hatten festgelegt, wann ich bei Dad sein konnte, nämlich ziemlich genau die Hälfte der normalen Wochenenden, wenn ich nicht im Internat bleiben musste, und die halben Sommerferien. Thanksgiving, Weihnachten und Ostern waren immer für Mom. Sie sagte, sie wünsche, dass ich die Feiertage in geordneten Verhältnissen zubringe, das hieß, entweder mit ihr, und das war oft eine Katastrophe, weil es ihr nicht gutging oder weil sie einen Plan gemacht hatte, der sich dann zerschlug, oder in Bristol mit Onkel John und Grandma und Grandpa De Bourgh, wenn Mom nicht gerade wieder eine ihrer regelmäßigen wüsten Streitereien mit ihnen vom Zaun gebrochen hatte, so dass sie monatelang nicht miteinander sprachen.
    Andere Teile fand ich seltsam aufbauend:

    Dann hat sich Dad mit Jane zusammengetan, und das war das Beste, was ihm und mir je passiert ist. Es geschah in dem Winter, bevor er und ich zu Besuch bei dir und Tante Bella auf der Île de Ré waren. Ich weiß nicht, ob du verstanden hast, dass er sie nicht mitbrachte, obwohl sie schon geschieden war, weil er Mom keinen Schlagstock in die Hand geben wollte, mit dem sie ihm und auch mir eins überbraten konnte, soll heißen, keinen Anlass, ihm vorzuwerfen, dass er mich unmoralischem Verhalten aussetzte. Sie heirateten im Winter darauf, aber ich sah Jane natürlich mit Ausnahme dieser Ferien jedes Mal, wenn ich Dad sah. Ich dachte, mir wäre noch nie ein Mensch begegnet, der so schön oder so gut war wie sie, und nach einer Weile begriff ich, dass ich wirklich eifersüchtig auf Dad war. Was immer Freud oder Jung dazu zu sagen haben, ich meine, mehr oder weniger stabile Jungen – und wie durch ein Wunder gehörte ich dazu – nehmen hin, dass ihr Vater mit ihrer Mutter schläft. So ist es eben, daran ist nicht zu rütteln. Aber bei einer Frau wie Jane, die so viel jünger war als Dad und keine Kinder hatte, war das Wissen, dass er sie poppte – das Wort, das meine Freunde und ich offenbar gern benutzten –, wenn sie sich für die Nacht zurückzogen oder einen kleinen »Mittagsschlaf« machten, wirklich heftig. Ich habe keine Ahnung, was aus alldem geworden wäre, ob wir drei eine richtig gute Beziehung hätten haben können, wenn Jane nicht so gut zu mir gewesen wäre, mir nicht das Gefühl gegeben hätte, ich sei ihr genauso wichtig wie Dad. Das klingt blöd, aber es ist die Wahrheit. Ich nehme an, es hatte damit zu tun, dass sie selbst keine Kinder haben konnte. Versucht haben sie es, weiß Gott. Als sie mit diesem Trottel Horace verheiratet war, hatte sie es nicht geschafft, schwanger zu werden, aber sie dachte, es habe vielleicht an ihm
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