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Erinnerung an meine traurigen Huren

Erinnerung an meine traurigen Huren

Titel: Erinnerung an meine traurigen Huren
Autoren: Gabriel García Márquez
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streifte den Schlüpfer bis zu den Waden herunter und rammte sie verkehrt herum. Ach, Señor, sagte sie mit einem düsteren Klagelaut, das ist nicht als Eingang gedacht, sondern als Ausgang. Ein tiefer Schauder ließ ihren Körper erbeben, aber sie hielt stand. Gedemütigt, weil ich sie gedemütigt hatte, wollte ich ihr das Doppelte von dem zahlen, was damals die Teuersten kosteten, aber sie nahm keinen Centavo, so dass ich ihr Gehalt erhöhen musste, dabei einen monatlichen Ritt einkalkulierte, immer beim Wäschewaschen und immer verkehrt herum.
    Einst dachte ich, dass jene Aufzählung von Betten das Gerüst für eine Geschichte über die
    Miseren meines irregeleiteten Lebens hergeben könnte, und der Titel fiel mir in den Schoß: Erinnerung an meine traurigen Huren. Mein öffentliches Leben war vergleichsweise uninteressant: Vollwaise, Junggeselle ohne Zukunft, mittelmäßiger Journalist, der sechsmal das Finale im Dichterwettstreit der Blumenspiele von Cartagena de Indias erreichte, Liebling der Karikaturisten wegen meiner beispielhaften Hässlichkeit. Das heißt, ein verlorenes Leben, das an jenem Nachmittag einen schlechten Anfang genommen hatte, als meine Mutter mich, den Neunzehnjährigen, an die Hand nahm und beim Diario de la Paz vorsprach, damit die Zeitung eine Chronik des Schullebens veröffentlichte, die ich im Spanisch- und Rhetorikunterricht geschrieben hatte. Sie wurde am Sonntag mit einer hoffnungsvollen Einleitung des Direktors abgedruckt. Als ich nach vielen Jahren erfuhr, dass meine Mutter für diese und sieben folgende Veröffentlichungen gezahlt hatte, war es zu spät, sich zu schämen, da meine wöchentliche Kolumne inzwischen etabliert war und ich zudem die Kabelmeldungen aufbereitete und Musikkritiken verfasste.
    Sobald ich das Abitur mit Auszeichnung bestanden hatte, begann ich gleichzeitig an drei staatlichen Schulen Spanisch und Latein zu unterrichten. Ich war ein schlechter Lehrer, ohne Ausbildung, ohne Berufung und ohne Erbarmen für diese armen Kinder, die nur deshalb zur Schule gingen, weil sie so am leichtesten der Tyrannei ihrer Eltern entkamen. Das Einzige, was ich für sie tun konnte, war, mit meinem Holzlineal Furcht und Schrecken zu verbreiten, damit sie wenigstens mein Lieblingsgedicht fürs Leben lernten: Hier, Fabio, oh Schmerz, wo du jetzo siehst verwüstete Stätten, welke Höhen, blühte einst, des Ruhmes reich, Italica. Erst im Alter erfuhr ich zufällig von dem bösen Spitznamen, den die Schüler mir hinter meinem Rücken gegeben hatten: Professor Welke Höhen.
    Das ist alles, was mir das Leben gegeben hat, und ich habe nichts dafür getan, ihm mehr abzugewinnen. Ich aß allein, zwischen zwei Unterrichtsstunden, und kam um sechs Uhr abends in die Redaktion, um die Signale aus dem Himmelsraum zu erjagen. Um elf Uhr nachts, nach Redaktionsschluss, begann mein wirkliches Leben. Zwei- bis dreimal in der Woche schlief ich im Barrio Chino, und in so wechselnder Begleitung, dass ich zweimal zum Kunden des Jahres gekürt wurde. Nach dem Abendessen im nahen Café Roma wählte ich irgendein Bordell und betrat es heimlich durch die Hintertür. Ich ging zum Vergnügen dorthin, aber die Besuche wurden schließlich zu einem Teil meines Berufs, dank der Redseligkeit der mächtigen Herren, die ihren Geliebten für eine Nacht Staatsgeheimnisse anvertrauten, ohne zu bedenken, dass die Öffentlichkeit durch die Trennwände aus Pappe mithörte. Auf diese Weise, aber ja, erfuhr ich auch, dass mein untröstliches Zölibat nächtlicher Päderastie zugeschrieben wurde, die ich bei den Waisenjungen aus der Calle del Crimen befriedigte. Ich hatte das Glück, das Gerücht zu vergessen, aus guten Gründen, erfuhr ich doch zugleich, wenn etwas Gutes über mich gesagt wurde, und das wusste ich zu schätzen, sofern es der Rede wert war.
    Ich hatte nie echte Freunde, und die wenigen, die es annähernd waren, sind in New York. Das heißt: tot, denn ich nehme an, dass unerlöste Seelen sich dorthin begeben, um sich nicht der Wahrheit ihres vergangenen Lebens stellen zu müssen. Seit meiner Pensionierung habe ich wenig zu tun, außer freitagabends meine Seiten zur Zeitung zu tragen und anderen Beschäftigungen von gewissem Belang nachzugehen: Konzerte im Bellas Artes, Ausstellungen im Centro Artistico, dessen Gründungsmitglied ich bin, die eine oder andere Bürgerversammlung der Gesellschaft für gemeinnützige Aufgaben oder ein großes Ereignis wie das Gastspiel der Fabregas im Teatro Apolo. In meiner
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