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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen
Autoren: Marko Kilpi
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Melde-, das Straf- und das Kfz-Register über diesen seltsamen Susiaho verraten. Susiaho ist ein seltener Name. Es gibt nur drei Treffer. Olli greift zum Telefon und startet eine rasche Umfrage. Zwei Heikki Susiahos bestreiten, den Schmuck jemals gesehen zu haben. Der dritte Heikki sitzt seit rund zehn Jahren im Gefängnis. Es gibt noch einen vierten, doch dieser Kandidat kommt noch weniger infrage als die drei anderen, denn der vierte Heikki Susiaho ist tot. Oder genauer gesagt, er ist verschwunden, hat seit mehr als zwanzig Jahren nichts von sich hören lassen und wurde deshalb für tot erklärt.
     

    Die Tür des stolzen alten Holzhauses öffnet sich knarrend. Ein Mädchen, vielleicht achtzehn Jahre alt, späht misstrauisch hinaus, während sie unablässig Kaugummi kaut.
    »Polizei, guten Tag«, grüßt Olli und zeigt seine Dienstmarke. »Helena Susiaho?«
    »Das ist meine Mutter«, sagt das Mädchen. »Kommen Sie herein.«
    Sie führt Olli ins Haus, wobei sie ihn immer wieder verstohlen ansieht, denn er ist immerhin ein richtiger Polizist. Mit so einem hat sie es noch nie zu tun gehabt, er fasziniert sie.
    Sie gehen durch einen großen, verblüffend hohen Raum, eine Art Saal. Wenn man hier eine Zwischendecke einziehen würde, bekäme man ohne Weiteres zwei Wohnetagen in der heute üblichen Höhe. An den Saal schließt sich ein kleineres Zimmer an, eine Art Ruheraum, der vielleicht früher das Zimmer des Hausmädchens war. Am Ende eines kurzen Flurs liegt die Küche. Dünner Rauch zieht durch die Luft. Er kommt aus den hohen Kachelöfen. Olli kommt es vor, als sei er einige Jahrzehnte in die Vergangenheit gereist, dabei steht das Haus im Zentrum der Stadt, in unmittelbarer Nähe der zuckenden Leuchtreklamen und der modernen Betriebsamkeit.
    Helena Susiaho steht in der Küche und backt. Der Geruch von frischem Hefegebäck ist Olli schon an der Haustür in die Nase gestiegen, aber hier ist er noch intensiver.
    Olli stellt sich vor und streckt die Hand aus, doch die Frau will ihm ihre teigverschmierte Hand nicht geben. Sie knetet fleißig weiter. Das Mädchen stibitzt ein frisch gebackenes Hefeteilchen, lehnt sich an die Wand und sieht Olli sehnsuchtsvoll an. Olli, der ihren Blick im Nacken spürt, wird verlegen.
    »Heikki Susiaho ist sicher Ihr Bruder«, eröffnet er vorsichtig das Gespräch.
    Helena Susiaho hält in der Bewegung inne, sieht vor sich hin, wirft dann einen Blick auf ihre Tochter, die nichts von dem Verschollenen weiß, und knetet langsam weiter. Ist heute der Tag, auf den sie so lange gewartet hat, den sie aber vielleicht doch nicht erleben will? Ist jetzt der Moment gekommen?
    »Ja«, sagt sie leise. »Heikki ist vermisst. Schon lange. Hat man ihn gefunden?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortet Olli.
    »Sie wissen es nicht?«, wundert sich Helena. »Was wissen Sie nicht?«
    »Heikki ist nicht gefunden worden, aber bei unseren Ermittlungen sind wir auf etwas gestoßen«, erklärt Olli. »Ich muss einiges über Heikki in Erfahrung bringen. Wie ist er verschwunden, unter welchen Umständen?«
    Helena lässt ihren Teig stehen. Obwohl sie damit gerechnet hat, dass die Polizei eines Tages wegen Heikki zu ihr kommt, hat sie diese Frage nicht erwartet.
    »Es war ein ganz normaler Tag«, beginnt sie schließlich. »Heikki ist nicht zu Besuch gekommen. Er hatte schon seit Langem eine eigene Wohnung, aber er kam oft her. Vater hat damals noch gelebt. Das hier ist unser Elternhaus. Ich bin mit meiner Tochter hiergeblieben, als Mutter starb. Als Oma starb.«
    Helena sieht ihre Tochter an und bereut, dass sie ihr nie von Heikki erzählt hat. Dass das Mädchen unter diesen Umständen von der Existenz ihres Onkels erfahren muss.
    »Heikki hat an dem Tag alles unberührt zu Hause stehen lassen«, fährt Helena fort. »Das Essen stand im Kühlschrank, seine Kleider hingen im Schrank. Er hat nichts mitgenommen. Deshalb dachten wir ja, er könne nicht weit weg sein. Oder würde jedenfalls nicht lange ausbleiben. Er hatte ziemlich viel Geld, er hat damals schon ordentlich verdient und war kein Verschwender. Aber von seinem Konto ist nichts abgehoben worden. Mutter hat bis zum Schluss gehofft, eines Tages würde die Tür aufgehen und Heikki würde hereinkommen.«
    Helenas Blick fällt auf die Küchentür, und sie muss sich eingestehen, dass sie die Hoffnung ihrer Mutter geteilt hat.
    »Irgendwie wagt man nicht, es zu akzeptieren«, fügt sie hinzu. »Wenn es doch irgendeine Gewissheit gegeben hätte. Damit man nicht für
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