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Erebos

Erebos

Titel: Erebos
Autoren: Ursula Poznanski
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fahlgelben Augen.
    »Du hast dich recht geschickt angestellt.«
    »Danke.«
    »Mit deiner Lebenskraft steht es allerdings nicht mehr zum Besten.«
    »Ich weiß.«
    »Darauf solltest du künftig achten.«
    Die geschäftsmäßige Sprechweise des Boten bildete einen bizarren Gegensatz zu seinem schaurigen Äußeren.
    »Es ist Zeit, dass du einen Namen erhältst«, fuhr dieser fort. »Zeit für den ersten Ritus.« Mit einer gemächlichen Bewegung wies er auf die Höhle hinter ihm. »Ich wünsche dir Glück und die richtigen Entscheidungen. Wir sehen uns wieder.« Er wendete sein Pferd und stob davon.
    Nick wartete, bis die Hufschläge verhallt waren, bevor er seine Spielfigur auf die Felswand zuführte. Eine steile, in den Stein gehauene Treppe führte auf das Plateau. ›Zeit für den ersten Ritus.‹ Wieso hatte er schon wieder feuchte Hände? Er klickte mit der linken Maustaste auf die Dunkelheit des Höhleneingangs. Der Namenlose marschierte darauf zu und verschwand. Im nächsten Augenblick wurde der Bildschirm schwarz.
     
    Finsternis. Stille. Nick rutschte auf seinem Stuhl herum. Warum dauerte das so lange? Probehalber hämmerte er ein wenig auf der Tastatur herum, wodurch sich nicht das Geringste änderte.
    »Ach komm«, sagte er und klopfte gegen das Gehäuse seines Computers. »Nicht schlappmachen.«
    Die Dunkelheit dauerte an und Nicks Nervosität wuchs. Er konnte die DVD aus dem Laufwerk holen und neu einlegen oder er konnte die Reset-Taste drücken, aber das war riskant. Vielleicht musste er dann noch einmal ganz von vorne anfangen. Oder das Spiel startete überhaupt nicht mehr.
    Plötzlich war da ein Ton. Tocktock! Ein Klopfen wie ein Herzschlag. Nick öffnete die oberste Schublade an seinem Schreibtisch, holte Kopfhörer hervor und schloss sie an seinen Computer an. Jetzt hörte er das Geräusch deutlicher und im Hintergrund meinte er, noch etwas anderes wahrzunehmen. Hörner, die kurze Tonfolgen spielten. Er musste an Jagdsignale denken. Es klang verheißungsvoll. So, als wäre im Hintergrund das Spiel in vollem Gange, ohne ihn. Er drehte die Lautstärke höher und ärgerte sich, dass er auf die Idee mit den Kopfhörern nicht schon früher gekommen war. Vielleicht hatte er wichtige Informationen verpasst, Warnungen, Hinweise! Vielleicht hatte er den entscheidenden Tipp, wie man das Spiel zum Weiterlaufen brachte, überhört.
    Mehr aus Ungeduld als in der Hoffnung, dass es die Dinge beschleunigen würde, hämmerte Nick auf die Enter-Taste.
    Das Klopfen verstummte und nun schälten sich wieder die roten Buchstaben aus dem schwarzen Hintergrund.
    »Dies ist Erebos. Wer bist du?«
    Nick überlegte nicht lange. Er würde den gleichen Namen wählen, den er schon bei einigen anderen Computerspielen verwendet hatte.
    »Ich bin Gargoyle.«
    »Nenne mir deinen Namen.«
    »Gargoyle!«
    »Deinen richtigen Namen.«
    Nick stutzte. Wozu denn das? Okay, dann würde er einen Vor- und einen Nachnamen liefern, damit es endlich weiterging.
    »Simon White.«
    Der Name stand da, rot auf schwarz, und ein paar Sekunden passierte nichts. Nur der Cursor blinkte.
    »Ich sagte: deinen richtigen Namen.«
    Ungläubig starrte Nick auf den Bildschirm und hatte einmal mehr das Gefühl, als würde jemand zurückstarren. Er holte tief Luft und startete einen neuen Versuch.
    »Thomas Martinson.«
    Wieder blieb der Name einige Augenblicke lang unkommentiert stehen, bevor das Spiel antwortete.
    »Thomas Martinson ist falsch. Wenn du spielen möchtest, nenne mir deinen Namen.«
    Es gab keine vernünftige Erklärung dafür. Möglicherweise war es ein Softwarefehler und das Spiel würde überhaupt keinen Namen akzeptieren. Die Schrift verschwand, zurück blieb der rot blinkende Cursor. Plötzlich fürchtete Nick, das Programm könnte abgestürzt sein oder sich bei der dritten falschen Antwort selbst sperren, wie ein Handy nach drei falschen PIN-Eingaben.
    »Nick Dunmore.« Er tippte, halb in der Erwartung, dass auch die Wahrheit zurückgewiesen werden würde.
    Stattdessen flüsterte das Programm ihm seinen eigenen Namen ins Ohr. »Nick Dunmore. NickDunmore. Nick. Dunmore.« Wieder und wieder wurden die Worte wie eine Parole von einem wispernden Wesen zum nächsten weitergegeben. Der Willkommensgruß einer unsichtbaren Gemeinschaft.
    Das Gefühl, beobachtet zu werden, war beängstigend, und Nick tastete nach den Kopfhörern, um sie sich von den Ohren zu ziehen. Doch die Schrift verschwand bereits, ebenso die Stimmen, und eine lockende Melodie
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