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Erebos

Erebos

Titel: Erebos
Autoren: Ursula Poznanski
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das Gesagte unterstreichen, zog der tote Mann sich die Kapuze seines Mantels über den Kopf, die nun einen Schatten über seine Augen und Nase warf – nur der kleine Mund blieb sichtbar. »Unzweifelhaft erfährst du es eines Tages.«
    Unzweifelhaft. Nick wischte sich die feuchten Hände an der Hose ab. Das Thema behagte ihm nicht mehr.
    »Wie muss ich weitergehen?«, tippte er und stellte belustigt fest, dass er mit einer sinnvollen Antwort rechnete.
    »Willst du denn weitergehen? Ich warne dich. Tu es besser nicht.«
    »Natürlich will ich.«
    »Dann wende dich nach links und laufe den Bach entlang, bis du zu einer Schlucht kommst. Durchwandere sie. Danach … wirst du weitersehen.« Der tote Mann verkroch sich tiefer in seinen Mantel, als ob er frieren würde.
    »Und achte auf den Boten mit den gelben Augen.«

4.
    Den Bach entlang, sein kehliges Gluckern immer zur Linken, in einem leichten Trab, der die Ausdaueranzeige nicht allzu sehr strapazierte. Ausdauer, stellte Nick fest, war nicht die starke Seite seines Namenlosen. Nach der kleinsten Steigung keuchte er schon und musste eine Pause einlegen. So lange, bis der Balken am rechten unteren Bildrand wieder blau leuchtete. Dann weiter. Über Steine klettern, über Hindernisse springen, Ausschau halten nach der Schlucht. Und nirgendwo ein Bote mit gelben Augen.
    Allmählich hob sich das Land rechts und links des Baches, der dunkle Waldboden wich steinigem Untergrund und immer wieder lag Geröll im Weg, das dem Namenlosen das Fortkommen erschwerte und ihn mehrmals zu Fall brachte. Doch erst als das Gelände zu beiden Seiten doppelt so hoch war wie seine Spielfigur, begriff Nick, dass er sich schon mitten in der Schlucht befand. Außerdem bemerkte er, dass er nicht allein war. Im trockenen Gestrüpp rechts und links des Weges raschelte es, etwas bewegte sich und dann – wie auf einen unhörbaren Befehl – sprangen kleine krötenartige Wesen hervor und stürzten sich auf ihn. Ihre Füße verfügten nicht nur über Schwimmhäute, sondern auch über Krallen, mit denen sie Nicks Namenlosem einigen Schaden zufügten. Es dauerte mehrere Schrecksekunden, bis er sich des Stabs besann, den seine Figur in den Händen hielt, und sich zu wehren begann.
    Zwei der Kröten ergriffen die Flucht, eine starb zu Füßen des Namenlosen an einem gezielten Stockschlag.
    »Strike«, murmelte Nick.
    Eine letzte Kröte aber hing am linken Bein des Namenlosen und ein Blutfleck breitete sich unter ihren Krallen aus. Alarmiert bemerkte Nick, dass die rote Lebensanzeige nur noch etwas über die Hälfte gefüllt war. Er hieb auf die Space-Taste ein, was den Namenlosen springen ließ, die Kröte aber nicht beeindruckte.
    Erst die Escape-Taste brachte den gewünschten Erfolg. Der Namenlose vollführte eine blitzartige Drehung, schüttelte das Krötenwesen ab und machte ihm auf Nicks Geheiß mit dem Stab den Garaus.
    Seine Lebensanzeige war inzwischen weit unter die Hälfte gerutscht. Nick vergewisserte sich, dass keine weiteren Angreifer in Sicht waren, dann führte er den Mauszeiger über die Krötenkadaver, woraufhin die Information ›4 Fleischeinheiten‹ erschien.
    »Immerhin«, brummte er, holte seine erschöpfte Spielfigur wieder auf die Beine und ließ sie das Fleisch einsammeln, bevor er den Weg durch die Schlucht fortsetzte. Er war auf der Hut und bereit, jeder überraschend auftauchenden Krallenkröte seinen Stock überzuziehen. Doch weitere Gegner blieben aus. Stattdessen manifestierte sich ein Geräusch im Hintergrund, rhythmisch und von den Wänden der Schlucht vielfach zurückgeworfen. Hufschläge.
    Er ließ den Namenlosen langsamer gehen und nur vorsichtig um die nächste Kurve schleichen, hinter der sich aber nichts verbarg als weitere schroffe Felswände und noch mehr Geröll.
    Wenige Augenblicke später brachen die Hufschläge ab. Nick schickte den Namenlosen eng an der Felswand entlang, an mannshohen, dornigen Büschen vorbei. Weiter, bis sich vor ihm eine weitere Felswand erhob. Auf halber Höhe der Wand, immer noch weit über dem Kopf des Namenlosen, ragte ein breiter Vorsprung in die Schlucht hinein und dahinter öffnete sich der schmale Eingang einer Höhle. Vor diesem Durchgang, auf einem riesigen gepanzerten Pferd, saß eine dürre Gestalt in einem grauen Battel, die gleichermaßen Nick und den Namenlosen heranwinkte. Nick bemerkte nur flüchtig den kahlen, spitzen Schädel und die übertrieben langen, knochigen Finger der Figur. Seine ganze Aufmerksamkeit galt ihren
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