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Erebos

Erebos

Titel: Erebos
Autoren: Ursula Poznanski
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Zwergenkörper an: klein, knorrig und kräftig. Nicht übel, die geringe Größe reizt ihn. Die krummen Beine und der verkniffene Gesichtsausdruck weniger.
    Am Ende entscheidet er sich für den Dunkelelfen: höchstens mittelgroß, aber behände, elegant und geheimnisvoll. Seine Entscheidung wird zur Kenntnis genommen.
    »Wähle dein Äußeres«, fordert die dritte Kupfertafel.
    Er will seinem wirklichen Ich so wenig wie möglich ähneln. Also kurzes blondes Haar, das stachelig vom Kopf absteht, eine spitze Nase und schmale grüne Augen. Er betrachtet seinen neu geschaffenen Charakter, der mit dem Namenlosen keine Ähnlichkeit mehr hat. Sorgsam sucht er Kleidung aus: eine grüngoldene Jacke, dunkle Hosen, Stulpenstiefel. Eine Lederkappe, die besser schützen wird als nichts, obwohl ihm ein Helm lieber gewesen wäre. Aber leider steht für Dunkelelfen keiner zur Verfügung.
    Er arbeitet noch einmal an seinen Gesichtszügen – vergrößert die Augen und den Abstand zwischen Mund und Nase. Hebt die Augenbrauen. Arbeitet die Backenknochen deutlicher heraus und findet, dass er nun aussieht wie ein verlorener Königssohn.
    »Wähle eine Berufung«, heißt es auf der vierten Tafel.
    Assassine, Barde, Magier, Jäger, Späher, Wächter, Ritter, Dieb. Reichlich Auswahl. Er lässt sich die Vorzüge jedes einzelnen Standes darlegen. Erfährt, dass Werwölfe besonders gute Magier abgeben, während Vampire Talent zum Assassinen haben, ebenso zum Dieb. Auch Dunkelelfen, wie er selbst, geben gute Diebe ab.
    Er zögert. Und erschrickt, als plötzlich das Tor in den Angeln knarrt, beiseiteschwingt und jemand den Turm betritt. Ein verwachsener Schatten. Ein Gnom mit Buckel und krummen Beinen, einer roten, knollenförmigen Nase und einer dunkelblauen Geschwulst am Hals. Er humpelt näher, setzt sich rittlings auf eine der Truhen und leckt sich die Lippen.
    »Ein weiterer Dunkelelf, sieh an. Beliebte Gattung, wie es scheint.«
    »Wirklich?«
    Das behagt dem frischgebackenen Dunkelelfen nicht. Er will nicht einer von vielen sein.
    »Allerdings. Hast du dich schon für eine Profession entschieden?«
    Er betrachtet die Liste.
    »Möglicherweise Dieb. Oder Wächter. Vielleicht auch Ritter.«
    »Wie steht es mit dem Magier? Sie sind mächtig, die Zauberkundigen.«
    Kurz lässt er sich diese Möglichkeit durch den Kopf gehen, bevor er sie verwirft. Ihm steht der Sinn nicht nach Hexereien, sondern nach Schwertkampf.
    »Nein, nicht Magier. Ritter.«
    »Bist du sicher?«
    Das ist er. Ritter klingt edel, fast wie ein Prinz.
    »Ritter«, bekräftigt er.
    »Wähle deine Fähigkeiten«, fordert die fünfte Kupfertafel. Darunter ist eine unübersichtlich lange Liste von Eigenschaften aufgeführt.
    Weite Sicht, wählt er. Kraft, Ausdauer und die Fähigkeit, mit der Umgebung zu verschmelzen. Feuer machen. Schnelligkeit. Sprungkraft.
    Er ist vorsichtig, denn er weiß nicht, wie viele Fertigkeiten ihm insgesamt zustehen. Schon jetzt hat jede Entscheidung zur Folge, dass sich ihm andere Möglichkeiten verschließen. Als er ›leichte Heilkraft‹ aussucht, erlischt die Option ›Todesfluch‹. Bei ›Kraftschild‹ verschwindet ›Eisenhaut‹.
    Nach zehnmaligem Wählen ist es auf einmal zu Ende. Die Schrift löst sich in nichts auf, gerade in dem Moment, als er denkt, er kann ewig so weitermachen.
    »Einiges, was du verschmäht hast, wirst du bald vermissen«, sagt der Gnom und lächelt.
    »Kann sein.«
    Er fragt sich, was der hässliche Kerl hier tut, denn eigentlich wäre er lieber allein. Die sechste Tafel wartet.
    »Wähle deine Waffen.« Unter der Tafel öffnet sich eine gewaltige Truhe. Schwerter, Speere, Schilde, mehrere Morgensterne in verschiedenen Größen. Einige scheußlich aussehende Klingen mit Widerhaken, krallenbewehrte Peitschen, Stachelkeulen.
    »Möchtest du einen Ratschlag?«, fragt der Gnom.
    Damit du mich reinlegen kannst?
    »Nein. Danke.«
    Er will selbst das Richtige finden. Zieht vorsichtig ein Schwert nach dem anderen aus der Kiste und reiht sie an der Wand auf. Testet, wie gut er jedes von ihnen heben, wie schnell er es schwingen kann. Seine Wahl fällt schließlich auf ein Langschwert mit schmaler Klinge und dunkelrot umwickeltem Griff, das verführerisch sirrt, wenn er es durch die Luft schwingt.
    Die Schilde sind alle aus Holz und wirken nicht sehr vertrauenerweckend. Zudem sind sie umso schwerer, je größer sie sind, und machen ihn langsam. Also nimmt er sich den kleinsten Schild, den er finden kann: rund, mit bronzenem
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