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Erbarmungslos: Thriller (German Edition)

Erbarmungslos: Thriller (German Edition)

Titel: Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
Autoren: Mark Henshaw
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die sie aus dem Ausland schickten oder mitbrachten und die den hier gekauften Kaffee wie Spülwasser schmecken ließen. Doch gute Mormonen tranken keinen Kaffee, und Drescher war Mormone, der Sohn ostdeutscher Immigranten, die sich im Kalten Krieg bekehren ließen. Ende der Diskussion.
    Die Welt war ruhig in dieser Nacht. Die Nachrichtensender auf dem vom Boden bis zur Decke reichenden Matrix-Plasmafernseher begnügten sich mit Belanglosigkeiten. Die Staatstelegramme aus den CIA -Außenstellen trafen unregelmäßig ein und waren zum Glück in jeder Hinsicht langweilig. Bliebe der Rest der Schicht so ruhig, hätte Drescher nichts, was er der Tagesschicht übergeben könnte. Er sah auf die Uhr, was ein Fehler war. Eine Nachtschicht überstand man nur, wenn man sich zwang, die Uhr zu ignorieren. Einen Beweis dafür hatte er nicht, doch Einstein musste als Mitarbeiter des Patentamts nachts gearbeitet haben, um die Theorie entwickeln zu können, dass der Zeitablauf relativ war. Eine von einer Krise geschüttelte Nacht verging wie im Flug, doch in dieser Nacht war die mangelnde Aktivität die Antwort auf ein Gebet. Drescher hatte für seine freien Tage, die in dieser Woche wegen des rotierenden Dienstplans im Einsatzzentrum auf den Mittwoch und Donnerstag fielen, Pläne geschmiedet. Den Sonntagsgottesdienst würde er zum Ärger seiner Frau ausfallen lassen, denn er brauchte tagsüber seinen Schlaf. Auf den Kaffee konnte er mühelos verzichten, doch ohne tagsüber zu schlafen, wenn er Nachtschicht hatte, ging in seinem Alter gar nichts mehr.
    »Ich habe hier was für Sie.« Die für APLAA oder asiatisch-pazifische, lateinamerikanische und afrikanische Analyse zuständige Referentin erhob sich und ging zwischen den Schreibtischen hindurch, den Blick auf den Ausdruck in ihrer Hand gerichtet. Drescher erinnerte sich nicht an den Namen der jungen Frau. Sie war Latina, ein hübsches Mädchen und frisch von irgendeiner Uni in Kalifornien, doch Drescher hatte sich ihren Namen von Anfang an nicht merken können. Er hatte es aufgegeben, sich die Namen seiner Untergebenen zu merken, und war dazu übergegangen, sie mit dem Namen ihres Tätigkeitsbereichs anzusprechen. Die jungen Mitarbeiter blieben immer nur ein paar Monate in der Einsatzzentrale, um hier ihre Fahrkarten für eine Beförderung abstempeln zu lassen.
    »Entweder Sie geben mir hundert Leichen, oder ich will davon nichts hören«, brummte Drescher. »Fünfzig, wenn es um Europa geht. Und wo bleibt meine heiße Schokolade?«
    »Unter meiner harten Schale schlägt ein Herz aus Blei«, bemerkte APLAA .
    »Mitleid ist was für Schwache«, erwiderte Drescher. »Deswegen bin ich Ihr Chef, und Sie sind meine Dienerin.«
    »Ich lebe, um zu dienen«, setzte die Analystin das Spiel fort.
    »Hören Sie auf, witzig sein zu wollen, APLAA .«
    »Ich habe einen Namen, wie Sie wissen«, erinnerte sie ihn.
    »Ja, Sie heißen APLAA . Was haben Sie da?«
    »Telegramm aus Taipeh. Eine Leiche und eine Menge anderer Leute, die in Polizei- und Krankenwagen fortgebracht wurden. Die örtliche Polizei hat gerade den Stationsleiter ihres Großen Bruders verhaftet.« APLAA warf das Blatt Drescher zu. Nachts versendete Staatstelegramme mussten sofort bearbeitet werden, egal, wann sie eintrafen. Das war in einer Zentrale, die immer besetzt war, kein Problem. Bei Staatstelegrammen an eine Außenstelle im Ausland war es komplizierter. Dort musste sich jemand – in der Regel der jüngste Fallreferent – extra zum Dienst einfinden, egal zu welcher Uhrzeit.
    Drescher nahm das Blatt und überflog den Text zweimal, bevor er aufblickte. »Warum wurde eine Gefahrguteinheit …?« Er hielt mitten im Satz inne. Keine der Antworten, die sich sein müdes Gehirn ausdachte, war ermutigend.
    »Ja, die Gefahrguteinheit erhielt den Notruf, als der Einsatz bereits auf Hochtouren lief. Die Nationale Sicherheitsbehörde hat ihn als ›Alarmruf‹ eingestuft. Es gab eine böse Überraschung. Das Fort lässt alle wecken, die zumindest ein bisschen Chinesisch verstehen, aber es dauert noch ein paar Stunden, bis alles übersetzt ist.« Übersetzer für die schwierigen Sprachen waren knapp, und Chinesisch gehörte zu den fünf schwierigsten.
    Der Fall wurde immer schlimmer. »Tote Zivilisten?«, erkundigte sich Drescher.
    »Wurden keine gemeldet.«
    Drescher stöhnte. »Irgendwelche Reaktionen vom Festland?«
    »Noch keine«, antwortete APLAA . »Standort Peking sagte, sie würden sich ihre Spione vorknöpfen. Wollten mir
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