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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes
Autoren: Karin Jäckel
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Adams, eines Menschen, und zwar des Mannes. Nach Meinung des Pfarrers war die Frau schon allein deshalb minderwertig. Schließlich sei durch die Schöpfungsgeschichte bewiesen, dass sie zwar leidlich Menschengestalt wie Adam, doch keinesfalls den Geist und das Geschlecht Gottes habe.
    Anders als Adam, der als Abbild Gottes nach der Vollendung in Gott als seinem Vorbild strebe, strebe die dem Mann nachgebildete Frau von Natur aus lediglich nach dem Vorbild des Mannes. Dabei folge sie der falschen Vorstellung, dass sie durch die Vereinigung mit dem Manne zur Vollendung gelangen könne.
    Wegen dieses Irrglaubens sei schon Eva als erste Frau auf die Einswerdung mit dem Manne aus gewesen und der Wollust verfallen. Adam hingegen sei, da er mit dem heiligen Geist erfüllt sei, gar nicht in der Lage gewesen, sich etwas Böses dabei zu denken, als Eva ihm den Apfel der sexuellen Verführung anbot. Nur weil er so voller Unschuld gewesen sei und an das Göttliche in Eva geglaubt habe, habe sie ihn durch das Beispiel von Apfel und Stängel zur Sünde verführen und mit ihm den Sündenfall begehen können. Deshalb habe sie allein die Vertreibung aus dem Paradies verschuldet und sei dafür durch Jesus Christus vom Dienst am Tisch des Herrn ausgeschlossen worden.

    Getreu in den Spuren des Herrn wandelnd, schätzte unser Pfarrer deshalb alles Weibliche gering. Schon kleine Mädchen stellten für ihn die fleischgewordene Sündhaftigkeit dar. Deshalb mussten sie seiner Meinung nach mit harter Hand daran gehindert werden, ungefragt den Mund zu öffnen, dreist die Augen aufzuschlagen oder unschuldige Knaben und Männer durch die Zurschaustellung ihrer Reize zur Sünde zu verführen.
    Wenn er bei uns in der Schule den Religionsunterricht abhielt, hätte er am liebsten gesehen, dass wir Mädchen mit züchtig bedecktem Haupt in Mädchenklassen von den Jungen getrennt worden wären. Da dies nicht der Fall war, hielt er unsere gemischten Schulklassen für Sodom und Gomorra und lehrte uns nicht die Liebe, sondern den Zorn Gottes.
    Diese Aversion gegen alles Weibliche war der Grund dafür, dass unser Pfarrer keine Ministrantinnen zum Dienst am Altar zuließ.

    Wenngleich allen Bischöfen mit Rundschreiben der Gottesdienstkongregation vom 15. März 1994 erstmals das Recht zuerkannt worden war, in ihren eigenen Diözesen weibliche Christen als Ministrantinnen und Helferinnen des Priesters oder Diakons einzuführen, distanzierte unser Pfarrer sich strikt davon. Dabei berief er sich darauf, dass kirchenrechtlich kein zölibatär und keusch lebender Priester gezwungen werden könne, sich von einer weiblichen Person berühren und im liturgischen Dienst helfen zu lassen. Schließlich habe schon Jesus gesagt, dass durch die bloße Berührung des Gewandes göttliche Kraft entzogen werden könne.
    Bei männlichen Ministranten sei dies etwas anderes, zumal der Ministrantendienst ursprünglich denen Vorbehalten gewesen sei, die selbst einmal Priester werden wollten. Deshalb sei ein Junge im Ministrantendienst ein vom Ruf Gottes Erfasster. Mädchen hingegen nicht. Diese verstünden von Natur aus, sich in den Vordergrund zu spielen. Das sei nun mal das Wesen der Frau. Aus diesem Grund habe schon Paulus davor gewarnt, Frauen Freiheiten einzuräumen, weil Männer sich nun mal von ihnen verführen ließen, ihnen mit dem kleinen Finger die ganze Hand zu gewähren. In seiner Kirche, so der Herr Pfarrer, aber nicht.
    Die über Monate hinweg leidenschaftlich geführte Debatte um Ministrantinnen endete stets damit, das Beispiel des Sündenfalls zeige, dass Männer Frauen wegen deren teuflischen Verführungskünsten nicht gewachsen seien. Deshalb habe Jesus selbst sie als falsche Schlangen nicht an seinem Tisch geduldet. Und er als Pfarrer werde sich selbstverständlich hüten, sich über das Vorbild des Herrn hinwegzusetzen. »Punktum!«
    Erst der zunehmend zornigere Protest aus der Kirchengemeinde, der damit verbundene Rückgang der Spendenfreudigkeit zahlungskräftiger Gemeindemitglieder und die Weltoffenheit des 1995 frisch bei uns in der Gemeinde eingetroffenen Pfarrvikars Frederic Pfeiffer zwangen unseren Pfarrer einzulenken.

    Mein Jahrgang hatte die Ehre, die ersten Ministrantinnen unseres Städtchens zu stellen. Und natürlich gehörte ich als Tochter eines erzkatholischen, durch zahlreiche Gottberufene ausgezeichneten Hauses dazu. Das war schon mit dem Kinderkirchenchor so gewesen, in dem ich seit meinem sechsten Geburtstag Mitglied war. In meiner Familie
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