Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Pore und jeden noch so winzigen Riß gekrochen war, ächzte unter der Belastung, als es die Kraft des Windes auffangen und an den Schiffsrumpf weitergeben mußte, und das monotone Klatschen der Ruder begann einen einschläfernden Einfluß auf Skar auszuüben. Seine Augen brannten — zum Teil eine Wirkung des Salzwassers, das in einem dünnen Sprühregen von den Spieren empor und auf das Deck gewirbelt wurde, zum größeren Teil jedoch einfach vor Müdigkeit. Er hatte während der zweieinhalb Wochen, die er an Bord der SHANTAR verbracht hatte, nicht sehr viel Schlaf gefunden. Das Schiff war groß, bot jedoch kaum Platz für Passagiere, denn es war vom Bug bis zum Heck vollgestopft mit Lade- und Frachträumen, und die Wände seiner Kabine waren so hellhörig gewesen, daß er nahezu jedes Wort gehört hatte, das irgendwo an Bord des Schiffes gesprochen wurde. Dazu kam etwas, das so banal wie ärgerlich war — Seekrankheit. Von der ersten Stunde an, die er an Bord gewesen war, war ihm übel gewesen, und wenn sich sein Körper auch allmählich an das beständige Auf und Ab des Schiffes zu gewöhnen begann, so genügte doch noch immer eine unbedachte Bewegung, um seinen Magen in einen schmerzhaften Klumpen zu verwandeln. Zumindest konnte er der Situation ein gewisses Maß an Ironie nicht absprechen — was Vela mit all ihrer Macht und Bosheit nicht gelungen war, das hatte das Meer geschafft. Er wäre im Moment nicht einmal fähig gewesen, mit einem Kind zu kämpfen.
    »Nun, Satai?«
    Skar sah auf, als eine hochgewachsene, in einen schwarzen, ledernen Regenmantel gehüllte Gestalt neben ihm an die Reling trat. Andred, der Kapitän des Freiseglers. Skar mochte ihn. Er war ein schlanker Mann unbestimmbaren Alters, der sich gern selbst reden hörte, dabei aber nicht annähernd solch haarsträubenden Unsinn verzapfte wie die meisten anderen Männer seines Schlages. »Deine Wache ist zu Ende«, fuhr er mit einer Kopfbewegung zum Horizont fort. Die Sonne war vollends aufgegangen und stand als glosender roter Ball über dem Meer. »Du kannst in deine Kabine gehen. Ich lasse dich wecken, wenn Essenszeit ist.«
    Skar stemmte sich von der Reling hoch, massierte mit der Linken seinen steifen, schmerzenden Rücken und schüttelte den Kopf. Er war so müde, daß er Mühe hatte, die Augen offenzuhalten, aber irgend etwas sagte ihm, daß er sowieso keinen Schlaf finden würde. Vielleicht war es die Nähe Elays, die ihn wach hielt. »Ich bleibe noch«, sagte er, ohne den Blick vom Meer zu nehmen. Die Küste war als schwarzer, unregelmäßiger Streifen an Backbord sichtbar, so wie während der gesamten vergangenen Woche. Die SHANTAR segelte — zumindest in nautischen Maßstäben — dicht an der Küste entlang; weit genug entfernt, um vor den Untiefen und Riffen, die diese Gewässer zu den gefürchtet-sten der Welt werden ließen, sicher zu sein, aber auch nahe genug, um sich mit einem schnellen Manöver in Sicherheit bringen zu können, falls Piraten auftauchen oder ein Sturm heraufziehen sollte. Ein Tümmler näherte sich dem Schiff, ließ seine dreieckige Rückenflosse eine Zeitlang parallel zu dem gewaltigen schwarzen Rumpf durch die Wellen schneiden und entfernte sich dann so rasch, wie er aufgetaucht war. Skar sah ihm nach, bis er verschwand.
    »Wie du willst«, sagte Andred nach einer Weile. Er lehnte sich neben Skar gegen die Reling, starrte blicklos auf die Wellen hinab und schüttelte ein paarmal und ohne Skar irgendeinen Grund dafür erkennen zu lassen, den Kopf. Sein Fuß hämmerte den Takt zu einer unhörbaren Melodie auf die Planken. »Unsere Reise endet bald, Satai«, sagte er plötzlich. »Wenn der Wind weiter so günstig bleibt, dann erreichen wir noch vor Sonnenuntergang Anchor.« Skar nickte. »Ich weiß.«
    »Du willst dort wirklich von Bord?« fragte Andred, nachdem er eine Weile vergeblich darauf gewartet hatte, daß Skar das Gespräch von sich aus weiterfuhren würde.
    »Warum nicht?«
    »Anchor ist ein seltsamer Ort für einen Satai«, murmelte An-
    dred. »Eine Stadt voller verrückter alter Weiber und bissiger Drachen — was sucht ein Mann wie du dort?«
    Skar lächelte. Wenn es etwas gab, das Andreds Schwatzhafig-keit noch übertraf, dann war es seine Neugier. Er hatte vom ersten Tag an versucht, mehr über den wahren Grund von Skars Reise in Erfahrung zu bringen.
    »Nimm an, ich hätte ein Geschäft zu erledigen«, sagte Skar.
    »Ein Geschäft?«: Andred sah ihn einen Herzschlag lang verblüfft an und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher