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Entscheidungen

Entscheidungen

Titel: Entscheidungen
Autoren: Marie Hoehne
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waren nur meine Selbstheilungskräfte durch Sams Blut schneller geworden, vielleicht… Ich wusste es nicht.
    Mein Kopf begann weh zu tun von den ganzen Gedanken, die dort umherschwirrten. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen und atmete ein paarmal tief ein und wieder aus.
    Ich hatte Sam einfach stehen lassen. Er hatte verletzt ausgesehen, doch ich war so wütend gewesen, wütend wegen seines Vortrags über das Lügen, den er mir gehalten hatte.
    Und wenn er mich nun verließ? Wenn er endgültig die Nase voll hatte von mir?
    Ich zitterte unwillkürlich. Wir hatten so viel durchgemacht, so viel erlebt. Sein Blut floss durch meine Adern, ich konnte förmlich spüren, wie er sich fühlte. Ich konnte… unvermittelt blieb ich stehen.
    Ich konnte es tatsächlich fühlen!
    Ein Schauer rann über meinen Rücken. Ich sah Sams wunderschönes Gesicht, seine traurigen Augen, spürte die Enttäuschung, die Enttäuschung über… mich?
    Ich hatte ihn mit meinem Verhalten verletzt. Er machte sich Sorgen. Hatte er etwa genauso große Angst, mich zu verlieren, wie ich ihn? Und wieso… Ich schüttelte energisch den Kopf.
    Was waren das für Gefühle?
    Hektisch sah ich mich um, doch ich entdeckte nur ein paar Spaziergänger, einen Mann mit einem Hund und eine Frau, auf einem Rad. Ansonsten war die Straße leer. Ich hatte keine Ahnung, wie weit ich gelaufen war und wohin. Ich war einfach losgerannt, voller Wut - und nun? Spürte ich Trauer und… Resignation?
    Ich musste zurück. Ich konnte mir das alles nicht erklären, doch ich wollte zu ihm. Ich wollte ihn trösten. Ich wollte mich entschuldigen, ich wollte, dass er mich verstand.
    Hoffentlich war er noch im Wohnheim, hoffentlich wartete er dort auf mich, wartete darauf, dass ich mich abgeregt hatte, doch aus irgendeinem Grund wusste ich, dass es nicht so sein würde.
    Voller Panik wandte ich mich um und rannte den Weg zurück, den ich gekommen war. Sam sollte nicht traurig sein. Ich wollte ihn nicht verlieren. Ich würde es nicht ertragen können.
    Auf der rechten Seite konnte ich bereits den Campus erkennen. Das Licht der Laternen leuchtete mir den Weg. Nur noch wenige Meter, nur noch…. Ich stolperte über meine eigenen Füße und blieb kurz stehen, um Luft zu holen, doch das Rennen hatte mich kaum geschwächt. Seltsam, aber ich hatte jetzt keine Zeit darüber nachzudenken.
    "Sam?" Ich sah eine dunkle Gestalt auf der anderen Straßenseite. Sie lief mit hochgezogenen Schultern in die entgegengesetzte Richtung.
    "Sam?", rief ich erneut.
    Die Gestalt blieb stehen und sah sich um.
    Erleichterung machte sich in mir breit. Ohne nach links und rechts zu gucken, rannte ich los, über die Straße, auf ihn zu.
    "Lily! Pass auf!"
    Doch es war zu spät. Ich hatte das Auto nicht kommen sehen. Es knallte, und ich spürte, wie ich durch die Luft gewirbelt wurde. Dann schlug ich bereits hart auf dem kalten Asphalt auf.
    Sekunden später war Sam an meiner Seite.
    "Sie ist mir einfach vor das Auto gelaufen", hörte ich jemanden stammeln.
    Alles tat weh, alles schmerzte, doch ich… lebte. War das möglich?
    "Lily?" Sam tauchte direkt über mir auf. Seine Augen waren groß, das Entsetzen stand ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben.
    "Aua, das hat weh getan", murmelte ich benommen.
    "Ich rufe einen Krankenwagen!", rief irgendjemand.
    Benommen schüttelte ich den Kopf. "Nein, bitte nicht."
    "Können Sie sich bewegen?" Ich kannte den Mann nicht, der neben Sam stand. War das der Fahrer des Unfallautos?
    "Ich… weiß nicht." Vorsichtig setzte ich mich auf.
    "Nicht. Warten Sie, der Krankenwagen müsste jeden Moment hier sein. So einen Sturz kann man doch gar nicht überleben."
    Ich hob den Blick und sah, wie Sam mich unverwandt anstarrte. Ein ungläubiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
    "Es tut mir leid, Sam. Ich hätte dich nicht belügen…"
    "Schhh, das ist doch jetzt nicht wichtig." Er berührte sanft mein Haar.
    "Aber ich habe einen Fehler gemacht und ich möchte, dass du…" Ich hörte die Sirenen in der Ferne. Wieder Sirenen, immer passierte etwas, und diesmal wieder mir. Ich war es so leid.
    "Es ist gut. Alles ist gut, ok?" Seine Stimme klang ganz nah.
    Ein Krankenwagen kam neben uns zum Stehen.
    Ich hörte wie Türen geöffnet und wieder zugeschlagen wurden, doch ich konnte den Blick nicht von Sam nehmen. Er hatte mir verziehen! Er war nicht mehr böse.
    "Gehen Sie bitte aus dem Weg", hörte ich jemanden sagen.
    "Miss, können Sie sich bewegen?" Ein Mann beugte sich zu mir
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