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Entscheidungen

Entscheidungen

Titel: Entscheidungen
Autoren: Marie Hoehne
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nicht kommen sehen. Ganz plötzlich stand er vor uns, groß, mit Nickelbrille und brauner Fönfrisur. Typ Bibliothekar, doch seine Augen blickten finster. Irgendwie ging etwas Bedrohliches von ihm aus.
    "Alles ok, Murphy. Hab nur Nachschub hier." Xander versuchte locker zu klingen, doch ich kannte ihn zu gut und es beruhigte mich leider absolut gar nicht, welchen Unterton seine Stimme hatte. Er hatte Angst.
    "Gib sie mir. Ich erledige das."
    Xander schüttelte den Kopf.
    "Ist was Spezielles. Muss ich Raphael persönlich bringen."
    Murphy zog fragend eine Augenbraue hoch und musterte eindringlich erst das Mädchen und dann mich. Seine schwarzen Augen bohrten sich in meine, und ich spürte, wie ich unwillkürlich zitterte. Der Typ war wirklich mehr als unheimlich.
    "Na gut, geh schon." Langsam nickte er. "Obwohl." Er blieb stehen und drehte sich nach uns um. "Gib sie mir. Ich will sie." Er wies mit dem Kinn auf das zitternde Etwas an meiner Seite.
    "Aber, sie ist für Raphael", protestierte Xander.
    Murphy machte einen flinken Schritt auf ihn zu. "Hast du was gesagt?", fragte er, seine Stimme klang kalt und schneidend.
    "Ich soll sie ihm bringen." Xander reckte das Kinn, und ich spürte, wie sein Griff um meinen Arm noch fester wurde. Was hier geschah, war alles andere als gut.
    Murphy machte eine schnelle Bewegung und packte das Mädchen. Benommen schwankte ihr Kopf hin und her, doch sie wehrte sich nicht.
    Ich sah den widerstrebenden Blick in Xanders Augen. Er kämpfte mit sich, wog ab und ließ sie schließlich los.
    "Mach was du denkst." Er zuckte die Schultern, doch ich spürte, wie angespannt er war.
    "Geh jetzt lieber, bevor ich mir das mit der da noch überlege." Murphys kalte Augen trafen mich, und ich machte unwillkürlich einen Schritt zurück.
    "Ist gut. Los, komm." Xander zog an mir und dieses Mal wehrte ich mich nicht. Im Gegenteil. So schnell ich konnte, folgte ich ihm durch das leerstehende Gebäude, in das wir durch den Spalt in der Mauer eingestiegen waren. Heizungsrohre liefen an der Decke entlang, ansonsten war der Raum wie ausgestorben. Unsere Schritte hallten auf dem schmutzigen Boden wieder. Am Ende der Halle sah ich eine Treppe, die in den Keller zu führen schien. Doch statt mich dort hinunter zu ziehen, schlug Xander einen Haken und schob mich auf eine unauffällig aussehende Tür zu.
    "Dadurch."
    Ich gehorchte.
    Wir traten hinaus in den lauwarmen Abend. Ich hörte das Hupen von Autos, sah ihre Lichter in der Dämmerung und hätte vor Erleichterung fast geweint.
    "Komm." Xander ließ meinen Arm los und griff stattdessen nach meiner Hand. Es war ein vertrautes Gefühl, ein Gefühl, was ich schmerzlich vermisst hatte.
    Schnellen Schrittes liefen wir den Gehweg entlang auf die Hauptstraße zu. Ich war dankbar, als wir endlich im Strom der Passanten untertauchen konnten.
    Mein Herzschlag schien sich langsam zu beruhigen, und als ich Xander einen kurzen Blick zuwarf, bemerkte ich, dass auch er mich ansah.
    Er sah so fremd aus. Das Haar kurz, die Kleidung dunkel, fast düster. Schwarze Jeans, schwarzes Hemd. Er war nicht mehr der Sunnyboy, den ich so sehr in mein Herz geschlossen hatte.
    Schweigend liefen wir weiter. Hand in Hand, zwischen all den Menschen, denen ich mit einem Mal so dankbar war, dankbar, dass sie da waren und mich vor einer Horde Vampiren beschützten.
    Erst, als wir das Gelände des Campus' erreicht hatten, ließ Xander meine Hand los.
    "Sei nie wieder so unvorsichtig." Er sah mich nicht an.
    "Xander." Ich berührte sanft seinen Arm, doch er zog ihn zurück.
    "Ich muss gehen."
    "Nein, bitte!"
    "Lily, ich kann nicht."
    "Bitte Xander. Bitte." Ich machte einen Schritt auf ihn zu und zu meiner Erleichterung blieb er stehen. Ohne weiter darüber nahm ich ihn in den Arm, und er zog mich augenblicklich an sich.
    "Du hast mir so gefehlt", schniefte ich.
    "Ich hab Mist gebaut, Lily", hörte ich ihn leise an meinem Ohr sagen. "Richtigen Mist."
    "Was ist geschehen? Und was passiert mit dem Mädchen?", fragte ich atemlos. Aber wusste ich das nicht bereits? Tief in meinem Innern war mir klar, dass sie längst nicht mehr am Leben war. Und wenn Murphy sich für mich entschieden hätte? Hätte Xander mich mit ihm gehen lassen?
    Ich schauderte bei dem Gedanken.
    "Nicht hier. Nicht jetzt. Ich muss zurück, ich muss sehen, ob ich noch etwas für sie tun kann, und ich muss erzählen, dass du mir entwischt bist. Mal sehen, wie Murphy das so aufnehmen wird."
    "Er hat mir Angst gemacht." Ich schlang
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