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Entscheidungen

Entscheidungen

Titel: Entscheidungen
Autoren: Marie Hoehne
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fröstelnd die Arme um meine Schultern. Mir war mit einem Mal furchtbar kalt.
    "Nicht nur dir", sagte er trocken.
    "Ich muss dich wiedersehen!"
    "Morgen. Nicht heute. Morgen komme ich zu dir, in Ordnung?"
    "Wann?"
    "Das weiß ich noch nicht." Xander ließ mich los. Sehnsuchtsvoll sah er mich an, dann machte er auf dem Absatz kehrt und war auch schon verschwunden.

    Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte. Sam saß auf meinem Bett, während ich zum zehnten Mal bereits unter einem Vorwand im Badezimmer verschwunden war. Ich konnte ihm nicht sagen, was passiert war. Er würde ausrasten. Doch es fiel mir schwer, ihm etwas zu verheimlichen. Ich fühlte mich schlecht.
    "Geht es dir gut?", hörte ich ihn fragen.
    "Das waren wohl die Muscheln", gab ich elendig zurück. Ich war keine besonders gute Lügnerin, und ich sollte auch nicht lügen. Ich sollte Sam die Wahrheit sagen. Ich sollte…
    "Ich habe eine Bleibe gefunden", unterbrach er meine Gedanken.
    "Eine Bleibe? Das ist ja toll. Wo?", rief ich durch die Tür zurück.
    "Gar nicht weit von hier. Eine Freundin hat dort eine Wohnung."
    "Eine Freundin?" Interessiert öffnete ich die Badezimmertür und sah ihn an. Er hockte auf meiner bunten Tagesdecke, das Haar wie immer unordentlich, die schwarzen Augen wie immer aufgeweckt, voller Gier nach Wissen.
    "Ja, Jona. Hab ich dir nicht von ihr erzählt?"
    "Nein, du hast mir nicht von Jona erzählt." Ich trat auf ihn zu und setzte mich unschlüssig zu ihm.
    Er zuckte mit den Schultern. "Ich kenne sie schon eine ganze Weile."
    "Aha."
    "Bist du etwa eifersüchtig?"
    "Und wenn es so wäre?" Ich spürte ein unbehagliches Gefühl in mir aufsteigen. Jona. Sicher ein bildhübsches Vampirmädchen. Mein Magen rumorte schmerzhaft.
    "Das musst du nicht."
    War das etwa ein Lächeln? Lächelte dieser Idiot?
    "Na da bin ich aber beruhigt", gab ich pampiger zurück, als ich es beabsichtig hatte.
    "Hey, Engel, nicht." Sam beugte sich zu mir vor und küsste mich sanft auf meinen Schmollmund. "Du siehst so süß aus, wenn du beleidigt bist."
    "Du bist doof." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wandte den Kopf weg.
    "Und ich liebe dich. Nur dich."
    "Das sagst du doch nur so." Ich hasste mich dafür, dass ich das tat. Es war genau das, was ich an anderen Frauen immer schrecklich fand. Zickenalarm.
    "Genau, das sage ich jeder. Heute Mittag habe ich das gerade erst Jona gesagt. Sie war entzückt." Er breitete die Arme aus und zog mich an sich.
    Widerstrebend kuschelte ich mich an seine Brust.
    "Ich liebe Sie, Mrs. Cooper."
    "Hast du das Jona auch gesagt", murmelte ich trotzig.
    "Ja. Sie war etwas irritiert, weil sie eigentlich Newman heißt, aber sie hat's akzeptiert."
    Ich boxte ihn sanft und hörte sein leises Lachen. Das Lachen, was ich beinahe nach heute Abend nie wieder gehört hätte, wenn Xander nicht gekommen wäre. Xander. Ich konnte Sam nicht von ihm erzählen. Erst musste ich in Ruhe mit ihm reden.
    Morgen. Hoffentlich.

4. KAPITEL

    Ich presste den quietschroten Hamsterkäfig an meiner Brust und tapste vorsichtig den Flur entlang, immer darauf bedacht, ja nirgendwo gegenzustoßen.
    Manfred schlief.
    Ich hatte den kleinen Hamster während meiner Abwesenheit beim Hausmeister untergebracht, ein älterer, freundlicher Herr in den Fünfzigern, mit dem ich hin und wieder während meiner Freistunden ins Gespräch gekommen war. Er liebte Tiere, hatte selbst zwei Katzen, die die Zeit mit Manfred sehr genossen hatten. Klar, schließlich war der kleine Kerl fast so etwas wie Pay-TV für sie gewesen.
    Mom hatte mir für Mr. Bower eine Flasche selbstgebrannten Whiskey und Pralinen mitgegeben, über die er sich mehr als gefreut hatte.
    Auch ich hatte mich gefreut. Es war schön, Manfred wieder zu haben. Der kleine Kerl hatte mir wirklich gefehlt! Es war schon seltsam, wie sehr ich mich inzwischen an ihn gewöhnt hatte. Ich dachte an Mr. O'Leary, der ihn mir damals für mein Schulprojekt mit Ashley gegeben hatte. Was seitdem nicht alles passiert war!
    Manfred half mir, mich abzulenken, denn meine Gedanken kreisten ununterbrochen um das, was ich am vergangenen Abend erlebt hatte. Ich wäre fast getötet worden. Schon wieder. Das wurde langsam irgendwie zur Gewohnheit. Der Umgang mit den Vampiren bekam mir ganz und gar nicht. Er war ungesund, um nicht zu sagen, lebensbedrohlich.
    Doch was sollte ich tun? Ich konnte ja schlecht alles vergessen und noch einmal von vorne anfangen. Ohne Sam und ohne Xander. Wie anders er ausgesehen hatte,
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