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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe
Autoren: Siri Goldberg
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Clara schon an dieser Hürde gescheitert.
     
    Mit einer Aktentasche unter dem Arm machte sie sich auf den Weg in die Altstadt. Die Notariatskanzlei befand sich in der Getreidegasse, in der Nähe von Mozarts Geburtshaus, und wirkte äußerst gediegen. Dr. Severin Schütz begrüßte sie mit einem festen Händedruck. Alles an dem älteren Herrn vermittelte Seriosität und Ernsthaftigkeit, vom grauen Anzug bis zur randlosen Brille. Dann fiel Claras Blick auf seine Krawatte. Rosafarbene und violette Nashörner tummelten sich auf tomatenrotem Grund. Sie zuckte zurück. Noch nie hatte sie einen scheußlicheren Schlips gesehen.
    Während Dr. Schütz die Kontoauszüge ihres Vaters und die Aufstellung der Wertpapierdepots überprüfte, musste sie immer wieder zu den Nashörnern schielen, die auf ihrer Tomatenwiese friedlich zu grasen schienen.
    Routiniert und zügig ging der Notar die Akten durch. Dabei runzelte er die Stirn. Je länger er sich in die Dokumente vertiefte, umso schärfer gruben sich die Runzeln ein. »Haben Sie auch eine Aufstellung der Begräbniskosten mitgebracht?«, fragte er schließlich.
    Clara suchte die Rechnungen heraus.
    Dr. Schütz nahm seine Brille ab und putzte sie. Dann addierte er die Zahlen und starrte auf die Summe. »Einundsiebzigtausend Euro? Ist das Ihr Ernst?«
    Sie nickte.
    Mit dem Brillenputztuch wischte er sich über die Stirn. »Grundgütiger! War der Sarg aus Gold?«
    »Mein Vater war eine Person von öffentlichem Interesse«, rechtfertigte sie sich. »Da konnte ich ihn doch nicht in aller Stille …« Sie hätte lieber auf den Rummel verzichtet. Aber was hätten seine Fans dazu gesagt? »Ich war es ihm schuldig.«
    Der Notar nickte, aber Clara sah, dass er sie nicht verstand. Sie hatte selbst gestaunt, wie teuer alles war. Allein die Gage für die Musiker. Der Marmorgrabstein. Das Essen für die Trauergäste im teuersten Restaurant Salzburgs. Natürlich hatte sie auch nicht gespart. Hatte überall das Exklusivste gewählt, vom Sarg bis zu den Blumen, trotz Amelies Bedenken. Ihr Vater hatte das Beste verdient. Das war doch sonnenklar!
    Dr. Schütz musterte Clara. »Darf ich fragen, wie Sie diese Kosten aufbringen konnten?«
    Sie traute sich nicht, ihm in die Augen zu schauen, und wandte sich daher an ein violettes Nashorn: »Bis jetzt noch gar nicht. Alle Beteiligten haben mir Zahlungsaufschub gewährt. Ich werde die Rechnungen begleichen, sobald ich …« Sobald sie über Paps’ Konten verfügen konnte, hatte sie sagen wollen. »Gibt es ein Problem?«
    »Frau Prachensky, ich glaube nicht, dass das Erbe die Begräbniskosten decken wird.«
    »Aber das … das kann ich mir nicht vorstellen. Paps war berühmt. Seine Gagen waren dementsprechend hoch. Mit dreiundachtzig hat er immer noch dirigiert, natürlich nicht mehr so oft wie früher, aber er war bestimmt einer der höchstdotierten Dirigenten Europas.«
    »Das bestreite ich nicht. Tatsache ist nur, dass er in den letzten Jahren mehr ausgegeben haben muss, als er eingenommen hat. Von seinem ehemals ansehnlichen Wertpapierdepot ist kaum etwas übrig, und andere Ersparnisse existieren nicht.«
    Clara schluckte. Sie hatte bis jetzt nicht über ihr Erbe nachgedacht. Geld war nie ein Thema zwischen ihr und ihrem Vater gewesen. Paps hatte ohne mit der Wimper zu zucken ihr Studium finanziert und ihr zur Volljährigkeit einen nagelneuen Flügel der Marke Bösendorfer geschenkt. Was ihre Konzertgarderobe betraf, hatte sie nie auf den Preis achten müssen, sondern die Kleider und Schuhe gekauft, die ihr am besten gefielen. Sonst brauchte sie allerdings nicht viel. Weder Schmuck noch Schminkutensilien. Sie ging so gut wie nie aus und war noch kein einziges Mal in Urlaub gefahren. Dass die Begräbniskosten zum Problem werden könnten, damit hatte sie am allerwenigsten gerechnet. »Und was ist mit dem Haus? Und mit Vaters Finca auf Mallorca? Und mit dem Fuhrpark?« Der rote Ferrari und die Cadillac-Limousine waren Paps’ liebstes Spielzeug gewesen.
    »Die Wagen sind geleast, die Salzburger Villa ist mit einer Hypothek belastet. Und die Finca …« Dr. Schütz wühlte in den Papieren, bis er das richtige fand. »Die Finca hat er an eine gewisse Frau Wendling überschrieben. Ruth Wendling.«
    Sie schluckte. »Ruth Wendling? Die Sopranistin? Aber warum …?« Paps hatte sie immer als drittklassige Sängerin bezeichnet und sie nie besonders geschätzt, zumindest hatte Clara das geglaubt.
    »Nach meiner bescheidenen Kenntnis der … ähm …
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