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Entfuehrt

Entfuehrt

Titel: Entfuehrt
Autoren: Stephanie Tyler
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genug Deckung gaben, um weder von der Straße noch vom freien Feld aus gesehen zu werden.
    »Drei Kilometer noch«, antwortete er.
    Sie öffnete die Augen und starrte ihn unverwandt an. »Ich dachte, Sie wären schneller.«
    Er zwang sich zu einem Lächeln. »Hören Sie auf zu reden. Atmen Sie.«
    Sie waren jetzt aus der Gefahrenzone und befanden sich etwa eine Meile westlich von dem Gebiet, das gerade in hellen Flammen stand. Wenn in der nächsten halben Stunde niemand zu ihnen kam, mussten sie erneut die Position wechseln.
    Er legte sich neben ihr auf den Boden, das Gesicht ihr zugewandt. »Versuchen Sie einfach, sich zu entspannen. Mein Team wird uns bald finden. Die Jungs haben mich noch nie enttäuscht. Und ich werde Sie nicht im Stich lassen.«
    Sie nickte, als wolle sie ihm unbedingt glauben.
    »Werden Sie weiterkämpfen, Isabelle? Oder bin ich in diesem Kampf allein?«, fragte er. Die Art, wie sie darauf antwortete, traf ihn unvorbereitet.
    »Erzählen Sie mir, was das Schlimmste war, das Sie je getan haben«, sagte sie unvermittelt. »Es ist egal, was Sie sagen. Sie können nichts so Schlimmes getan haben wie ich.«
    »Irgendwie bezweifle ich das aufrichtig.«
    Sie starrte ihn an. Nur sekundenlang wurde ihr Gesicht von einem Leuchtsignal erhellt, das von den Soldaten abgeschossen wurde – ein Hilferuf. Von irgendjemandem. Sie sah schön aus, trotz der Schnitte und Blutergüsse. Schön und stark. Er fragte sich, warum um alles in der Welt ihm das jetzt auffiel.
    »Ich habe mit dem Mann geschlafen, der mich gefangen hielt. Aus freien Stücken. Ich habe ihn verführt, weil ich nicht sein Opfer sein wollte. Ich habe die Kontrolle behalten. Ich habe meine eigenen Entscheidungen getroffen«, sagte sie und biss die Zähne fest zusammen, als sie sich an das erinnerte, was sie getan hatte. »Ich bin nicht dazu gezwungen worden. Sie werden sagen, dass ich gezwungen wurde, und ich werde ihnen beipflichten müssen. Aber das ist eine Lüge.«
    Was sie ihm erzählte, war etwas, das sie niemals einem anderen offenbaren würde. Und jetzt brauchte sie dasselbe von ihm. Sie forderte ihn wirklich heraus, und er war noch nie der Typ Mann gewesen, der vor einer Herausforderung zurückschreckte.
    Sie wird sich an nichts mehr erinnern. Erzähl es ihr einfach.
    »Ich habe meinen Stiefvater getötet«, sagte er. »Es war Notwehr. Er hat als Erster versucht, mich zu töten.« So sind die Regeln im Kampf.
    »Wie alt waren Sie?«
    Er zögerte. »Vierzehn«, gab er zu und wollte ihr schon fast sagen, er wolle nicht weiter darüber reden. Nein, eigentlich konnte er nicht. Sie forderte so viel von ihm, Dinge, die er nie freiwillig von sich preisgab. Er war nicht besonders gut darin, sich dem Willen anderer zu unterwerfen. Sie zerrte geradezu an seinem Herzen und riss es ihm mit jeder Frage förmlich ein Stück weiter aus seiner Brust.
    Und als sie seine Hand in ihre nahm, fragte er sich, was er als Nächstes tun sollte. »Sagen Sie mir, was ich für Sie tun kann«, sagte er.
    »Küss mich«, flüsterte sie. Er vermutete, dass sie aufgrund des Morphiums und der Schmerzen gar nicht genau wusste, worum sie ihn gerade bat.
    Aber er hatte sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und ein Blick in ihre Augen verriet ihm, dass ihre Sinne jetzt klarer waren als noch vor wenigen Minuten. Verriet ihm, dass sie sich wieder vollkommen unter Kontrolle hatte.
    »Isabelle, ich …«
    »Ich will nicht in dem Wissen sterben, dass der letzte Mann, der mich berührt hat, mir wehgetan hat.«
    »Wir werden nicht sterben.«
    »Können Sie mir das versprechen?«
    »Ich mache keine Versprechungen. Aber ich weiß, was mir mein Bauchgefühl sagt.«
    »Bitte, Jake. Lassen Sie mich nicht darum betteln«, flüsterte sie.
    Ach, Scheiße. Ohne lange nachzudenken, beugte er sich zu ihr herunter.
    Er legte seinen Mund auf ihren. Ihr Geschmack war eine willkommene Ablenkung vom Staub und der schwülen Hitze. Wie sie inmitten dieser Hölle so gut schmecken konnte, war ihm ein Rätsel.
    Sie schlang einen Arm um seinen Nacken, umklammerte ihn in einem plötzlichen Anfall heftiger Leidenschaft, die sie stärker aneinanderband, als er es je für möglich gehalten hätte.
    Als er sich von ihr zurückzog, rang sie nach Atem. Er konnte nicht sagen, ob es an ihrer Verletzung oder dem Kuss oder beidem lag, aber sie flüsterte ihm ins Ohr: »Fass mich an.« Und er gehorchte, streichelte sie sanft durch die Jacke, so wie ein Mann eine Frau berühren würde, die er begehrte. Er
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