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Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Titel: Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)
Autoren: Karim Miské
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schaltet es wieder ein und beleuchtet die Umgebung des heiligen Buchs. Eine Hand. Ein Arm. Eine Kehle. Klaffend. Ein ordentlich gestutzter Bart. Haqiqi. Ahmed tritt zurück und lässt die Tür leise ins Schloss fallen. Er atmet tief durch und zerrt seinen Cousin, der den Finger noch immer am Abzug hat, hastig drei Hausnummern weiter. Auch hier steht die Tür halb offen. Hineingehen lohnt nicht – Ahmed weiß ohnehin, was ihn drinnen erwartet. Dankbar denkt er an Monsieur Paul, dessen Glock ihm die Kraft gab, den Toten die Stirn zu bieten.
    Eher als den Lebenden?
    Ruhig kehren Ahmed und Mohamed in die Wohnung zurück. Sie setzen sich an den Tisch vor ihre leeren Teller, auf denen noch Spuren von Olivenöl und Pfeffer zu sehen sind. Ahmed betrachtet sein Telefon und zögert nur kurz, ehe er die grüne Taste drückt. Rachel meldet sich, noch bevor er ›Hallo‹ sagen kann. Was bedeutet, dass sie ihn zwar nicht zurückrufen konnte, sich aber die Mühe gemacht hat, seine Nummer einzuspeichern. Eine Kleinigkeit, die ihm große Freude bereitet.
    »Ahmed? Tut mir leid, ich konnte eben nicht rangehen. Aber deswegen rufen Sie sicher nicht zu nachtschlafender Zeit an, oder?«
    »Nein. Sagen Sie, was bedeutet Ihnen Vertrauen?«
    »Könnten Sie etwas deutlicher werden?«
    »Wenn ich Ihnen eine ganz bestimmte Sache erzähle und Sie bitte, niemanden einzuweihen, würde das gehen? Oder sind Sie grundsätzlich in erster Linie Polizistin?«
    »Eine ganz bestimmte Sache?«
    »Etwas Wichtiges. Für Sie, für uns alle, für Laura …«
    »Ich verspreche Ihnen, dass dieses Gespräch nie stattgefunden hat.«
    »Gehen Sie in die Rue Eugène-Jumin. In den Gebetssaal und den Frisiersalon. Dort wurden zwei Schicksale ziemlich brutal beendet. Was mich angeht, so bin ich seit dem frühen Abend mit meinem Cousin hier zu Hause. Wenn Sie Lust haben, auf einen Tee vorbeizukommen … Man weiß ja nie … Gerne auch um sieben Uhr morgens oder nachmittags um fünf.«

44
    Rachel legt auf. Viertel nach fünf. Sie liest die Aussage von Mourad noch einmal durch. Ein paar Meter weiter spricht Jean noch immer mit Ruben, während Kevin gerade mit Alpha fertig geworden ist. Sie winkt Jean mit einem kurzen Zeichen zu sich hinüber.
    »Taroudant hat gerade angerufen. Er sagt, ich soll in die Rue Eugène-Jumin gehen und mich im Gebetssaal und im Frisiersalon umschauen. ›Dort wurden zwei Schicksale ziemlich brutal beendet‹, waren seine Worte.«
    »Willst du da etwa allein hin?«
    »Nein, ich nehme Kevin mit.«
    »Kevin …«
    »Ja, Kevin. Er ist gerade mit Alpha fertig, und du musst noch unseren Ausflug zu Rubens Lagerhaus organisieren.«
    »Das kann warten. Ich fahre mit dir, ich lasse auf keinen Fall zu, dass du Kopf und Kragen riskierst.«
    »Na sag mal – ich bin bei der Kripo, genau wie du. Schlecht bezahlt, genau wie du. Und trotzdem riskieren wir beide ständig Kopf und Kragen. Ich habe den Tipp bekommen, also gehe ich hin, erfasse die Lage und sichere ab. Du sprichst in der Zwischenzeit derweil mit Mercator, dass wir möglichst schnell einen Durchsuchungsbefehl für dieses Lagerhaus bekommen. Ich versuche natürlich, so schnell wie möglich wieder bei dir zu sein.«
    Rachel fühlt sich von etwas mitgerissen, das stärker ist als sie und das sie ihrem Kollegen gegenüber ein wenig härter sein lässt, als sie eigentlich will. Sie drückt ihm einen Entschuldigungskuss auf die rechte Wa ng e.
    Anderthalb Stunden später wimmelt es in der Rue Eugène-Jumin vor Polizisten. Zwei Morde mit nur zwanzig Metern Abstand und auf ähnliche Weise verübt – da sind alle auf den Beinen. Fingerabdrücke. Fotos. Proben. Zeugenaussagen. Haqiqi und Sam, die beiden Stars der Straße. Niemand hat etwas gesehen. In einen Overall gehüllt lehnt Mercator an der Wand und knabbert nachdenklich an einer Café Crème. Als Rachel ihn entdeckt, geht sie auf ihn zu.
    »Nun, Rachel? Was wissen wir?«
    »Sam starb durch eine aus nächster Nähe abgefeuerte Kugel in den Nacken, Haqiqis Kehle wurde von einem Profi mithilfe einer extrem scharfen Klinge durchtrennt. Die Wundränder sind ganz sauber. Zwei Exekutionen. Wir müssen unbedingt Moktar und Rabbi Seror finden. Sie könnten die nächsten auf der Liste sein.«
    »Wo ist eigentlich Meyer? Haben Sie ihn in den letzten Stunden irgendwo gesehen?«
    »Meyer? Den habe ich ganz vergessen. Er hat einen Anruf angenommen, der eigentlich für mich war, und ist seitdem verschwunden.«
    »Stimmt. Seit gestern Nachmittag siebzehn Uhr ist er
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