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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1)
Autoren: Paul Collmann
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außerordentlich dürften sie sein. Sie werden nicht nur die Kriegstechnik, sondern jede Technik überhaupt von Grund aus umgestalten.“
    Eine Zeit lang saß Kirna in seinem Sessel, vorgeneigt, die gegenüberliegende Wand mit den Augen durchbohrend. „Selbst wenn!“, sagte er endlich, „was kann ihm das Mädel dabei helfen! Wo er doch ein Dutzend männliche Assistenten zur Verfügung hat!“
    „ Zwei!“, raunte ihm der Hauptmann zu.
    Kirna sprang aus dem Sessel auf und machte einige schnelle Schritte durch den Raum, wie um seine steifen Glieder wieder in Bewegung zu bringen. Als er seine Freunde, die sich gleichfalls erhoben hatten und zusammen flüsterten, wieder erreichte, blieb er stehen und sagte von einem zum andern blickend: „Es kommt also jetzt darauf an, den Nachweis zu führen, das Fräulein von Rechberg-Leudelfingen ein Genie ersten Ranges auf unserem Gebiet ist!“
    „ Welchem Gebiet?“, fragte der Hauptmann.
    „ Bitte präzisieren!“, gebot der Major.
    „ Politisch – diplomatisch – propagandistisch! Genügt das?“
    „ Hm!“, machten beide.
    „ Und weiter“, fuhr Kirna schnell fort, „dass der Erfinder genug männliche Assistenten bekommen kann, die in diesem Fache leistungsfähiger, tüchtiger und verschwiegener sind.“ Bei dem letzten Ausdruck wollte ihm eine Stimme im Inneren beinahe das Wort im Munde zerbrechen. Hatte er je in seinem Leben einen Menschen getroffen, der ein anvertrautes Geheimnis treuer gehütet hätte als sie!
    „ Wenn es sich wirklich nur ums Vaterland dreht, lieber Harry“, zwinkerte der Hauptmann fröhlich hinter seinem Kneifer, „dann freilich!“
    „ All das wird natürlich untersucht werden“, sagte der Major nachdenklich. „Du weißt ja, Harry, wir haben mit dem Erfinder schon eine lange Unterredung gehabt, er wehrt sich zwar noch verzweifelt gegen eine Vergrößerung seiner Belegschaft.“
    „ Wie kann er sich dagegen stemmen?“, fuhr Kirna auf, „was gibt er als Grund an?“
    „ Die Gefahr des Verrats – sehr einleuchtend – und die Schwierigkeit der Materie.“
    „ Herr Gott, wir werden ja noch mehr tüchtige Chemiker im Lande haben!“
    „ Das schon, aber ich kann es auch verstehen, dass er mit seinen Assistenten arbeiten will, die er sich herangezogen hat, die in einem Verhältnis des Vertrauens, der Freundschaft zu ihm stehen.“
    Bei dem einen Wort zuckte Kirna sichtlich zusammen.
    „ Dass er sie nicht gern einer – Belästigung, einer Verdrängung durch neue Mannschaften, die ihm von oben her auferzwungen werden, aussetzen möchte.“
    „ Auf die Dauer lässt sich’s natürlich doch nicht vermeiden“, fiel der Hauptmann jetzt ein. Mit zwei, drei Männekens kann er unsere Armee nicht beliefern, wenn wir seine Apparate allgemein einführen. Dann müssen große Werke gebaut werden, dann werden Hunderte benötigt, allein für die Geheimapparate, Tausende für die Weiterverarbeitungen.“
    „ So! Das wollte ich nur hören“, fiel Kirna erfreut ein, „dann wird die ganze Sache automatisch auf das militärische Gleis geschoben und dann scheidet die Frau sowieso aus. Hab ich recht? Oder hab ich recht?“
    Man lachte, schlüpfte in die Mäntel und ging. Kirna nahm sofort einen Wagen und fuhr bei seiner Wohnung vor – der Brief von der Majorin war nicht da. Was mag sie haben? Ob ich sofort noch hinfahre? Er sah auf die Uhr – sie essen jetzt. Also später!
     
     
     
    Als Tess zu Mittag nach Hause kam, fand sie nicht alles in der gewohnten Ordnung vor, es wurde etwas spät mit dem Essen und die Dame des Hauses erschien nicht an der Tafel. Der Major gab mit diskreter Stimme eine Erklärung: „Meine Frau lässt sich entschuldigen, sie hat – ein wenig Migräne, es hat aber weiter nichts zu sagen.“
    Ohne dass Tess aufzusehen wagte, bemerkte sie, dass Luschida rot wurde. Der Major war etwas blasser als sonst. Man sprach wenig. Gern hätte sie geplaudert, von diesem und jenem, frisch und fröhlich darüber weggeplaudert. Konnte sie das nicht mehr, was sie in Tübingen so oft fertiggebracht hatte? Freilich Berlin war nicht mehr Tübingen. Und dann – das Einzige, was sie von diesem Vormittag hätte wiedergeben können, war – o, sie spürte es – gerade sehr wenig geeignet für diesen Augenblick. Irgendwie hing dies alles mit dem gestrigen Abend zusammen. Ein herzlicher Gedanke an Riemenschneider hob sie über diese lähmende Stimmung empor. Nach dem Essen, als der Major sich mit einer leisen Entschuldigung, mit einem
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