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Enigma

Enigma

Titel: Enigma
Autoren: Robert Harris
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erschlagen und erwürgt, und der Mörder ihre Leiche auf den See hinausgerudert und versenkt hatte.
    »Stört es Sie, wenn ich rauche?« Er zündete sich eine Zigarette an, ohne auf eine Antwort zu warten, und benutzte seine Untertasse als Aschenbecher. Einen Moment lang betrachtete er das Ende seiner Zigarette. »Wo war ich stehengeblieben?«
    Jericho sah ihn nicht an. »Beim Abend der Geleitzugschlacht.«
    Ach ja. Also, zuerst hatte Hester nicht reden wollen, aber es gibt nichts Besseres als einen Schock, um jemandem die Zunge zu lösen, und schließlich hatte sie ihm alles erzählt, woraufhin Wigram begriffen hatte, daß Jericho kein Verräter war; und überdies hatte er begriffen, daß Jericho, wenn er die Kryptogramme entschlüsselt hatte, der Entdeckung des Verräters wahrscheinlich näher war als er selbst.
    Also hatte er seine Leute postiert. Und beobachtet. Das mußte gegen fünf Uhr morgens gewesen sein.
    Zuerst wurde Jericho gesehen, wie er die Church Green Road entlang in die Stadt eilte. Dann wurde beobachtet, wie er das Haus in der Alma Terrace betrat. Dann wurde er beim Besteigen des Zuges identifiziert.
    Wigram hatte Männer im Zug.
    »Danach waren Sie drei offengestanden nur noch Fliegen in einem Marmeladenglas.«
    Alle Fahrgäste, die in Northampton ausstiegen, wurden angehalten und verhört, und damit war Raposo erledigt. Inzwischen hatte Wigram veranlaßt, daß der Zug auf eine Nebenstrecke umgeleitet wurde, wo er wartete, um ihn in aller Ruhe durchsuchen zu können.
    Seine Leute hatten Befehl, nicht zu schießen, sofern nicht zuerst auf sie geschossen wurde. Aber sie sollten keinerlei Risiko eingehen. Dafür stand zuviel auf dem Spiel.
    Und Pukowski hatte seine Waffe benutzt. Da war das Feuer erwidert worden.
    »Sie sind in die Schußlinie geraten. Das tut mir leid.« Dennoch war, wie Jericho ihm bestimmt beipflichten würde, die Bewahrung des Enigma-Geheimnisses oberstes Gebot. Und das war gelungen. Das U-Boot, das ausgeschickt worden war, um Puck aufzunehmen, war abgefangen und vor der Küste von Donegal versenkt worden, was ein zweifacher Bonus war, weil die Deutschen jetzt vermutlich dachten, daß die ganze Geschichte von Anfang an getürkt gewesen war und nur den Zweck hatte, eines ihrer U-Boote in die Falle zu locken. Auf jeden Fall waren sie nicht von Enigma abgegangen.
    »Und Claire?« Jericho starrte nach wie vor die Decke an.
    »Haben Sie sie schon gefunden?«
    »Lassen Sie uns Zeit, mein Freund. Sie liegt mindestens achtzehn Meter tief im Wasser, irgendwo in der Mitte eines Sees von rund vierhundert Meter Durchmesser. Das kann eine Weile dauern.«
    »Und Raposo?«
    »Der Außenminister hat heute morgen mit dem portugiesischen Botschafter gesprochen. Unter den gegebenen Umständen hat er sich bereit erklärt, auf diplomatische Immunität zu verzichten. Am Mittag hatten wir Raposos Wohnung auseinandergenommen. Erbärmliche Bude am verkommenen Ende der Gloucester Road. Armer kleiner Dreckskerl. Ihm ging es im Grunde nur um das Geld. Wir fanden 2000 Dollar, die die Deutschen ihm gegeben hatten, in einem Schuhkarton auf seinem Kleiderschrank. Zwei Riesen. Kläglich.«
    »Was wird mit ihm passieren?«
    »Er wird hängen«, sagte Wigram gelassen. »Aber machen Sie sich seinetwegen keine Gedanken. Er ist Geschichte. Die Frage ist, was sollen wir mit Ihnen anfangen?«
    Nachdem Wigram gegangen war, lag Jericho noch lange wach und versuchte sich darüber klarzuwerden, welche Teile seiner Geschichte wahr gewesen waren.
    »Siehe, ich sage euch ein Geheimnis«, sagte Hester. »Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden.
    Und dasselbe plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune schallen, und die Toten werden auferstehen, unverweslich, und wir werden verwandelt werden.
    Denn dies Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit.
    Wenn aber dies Verwesliche wird anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit, dann wird erfüllet werden das Wort, das geschrieben stehet: Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?«
    Sie klappte langsam ihre Bibel zu und musterte die Gemeinde mit trockenen und ruhigen Augen. In der letzten Bank konnte sie eben noch Jericho erkennen, der mit weißem Gesicht geradeaus starrte.
    »Gott sei gedankt.«
    Sie fand ihn vor der Kirche, wo er auf sie wartete und die
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