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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation
Autoren: Walter Jon Williams
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weiterfliegen müssen, vielleicht nach Bezel. Marco würde auf die Familia umsteigen und zu seinem Rendezvous bei Montoya 81 fliegen, wobei seine Fracht nur als Anzahlung für die Geliebte dienen würde.
    Zu spät, wie Maria wußte. Sie hatte Ubu ein paar Monate Zeit verschafft, in denen er ein neues Abkommen mit der Geliebten treffen konnte. Marco mußte zumindest argwöhnen, daß es so war.
    Marco spielte weiter, obwohl er auf der Verliererstraße war. Experten auf der Engelstation wurden herangezogen, um sich mit den Computerproblemen der Abrazo zu befassen, aber sie fanden keine Lösung. Sie konnten nur die Ansicht äußern, daß die Sicherheitskopien der Software auf der Abrazo die Quelle des Problems waren. Sie schlugen vor, Marco solle die Software von den Sicherheitskopien in Engels elektromagnetisch gehärtetem Safe neu laden.
    Am letzten Tag, bevor sie die Engelstation erreichten, kam Marco zu Maria in die Kabine. Die hohen ge-Werte hatten ihn zermürbt. Seine Schritte waren unsicher, seine Haut fahl. Die tiefliegenden Augen waren blutunterlaufen.
    »Schiffsführer«, begrüßte ihn Maria.
    »Shooterin.« Marcos Hand zitterte, als er sich einen Stuhl herabzog. Die schöne Maria wartete, bis er sich hingesetzt hatte.
    »Kann sein, daß ihr gewonnen habt«, sagte Marco.
    Sie zuckte die Achseln. Die wochenlangen hohen ge-Werte ließen die meisten Dinge unwichtig erscheinen.
    »Vergeßt bloß nicht, was für Schwierigkeiten wir euch machen können«, fuhr Marco fort. »Ubu hat mir einmal gedroht. Damit, die Multi-Pollies zu informieren, mit Quarantäne, mit allem möglichen. Ich kann euch das gleiche antun.«
    Maria seufzte. »Wenn du Ubu eine Botschaft schicken willst, Schiffsführer, dann tu’s doch und quatsch mich nicht voll.«
    Er starrte sie an. Maria konnte den mühsamen Pulsschlag an seinem Hals erkennen.
    »Ich will dich auf keinem meiner Schiffe haben. Nicht, bevor ich wieder in Kontakt mit den Aliens stehe.«
    Sie brachte ein müdes Lächeln zustande. »Glaubst du immer noch, daß ich euch irgendwie sabotiere?«
    »Falls meine Schiffe keine Probleme beim Schießen mehr haben, wenn du nicht an Bord bist, dann wissen wir’s. Ich bringe dich in einem Hotel auf Engel unter, bis die Familia zurückkommt. Wenn du weiter mit Kit zusammenbleiben willst, kannst du dann an Bord gehen.«
    Sie sah ihn an. »Ich kann mein Hotelzimmer selber bezahlen.«
    Marco stand auf, schwankte und fiel fast wieder auf den Stuhl zurück. »Um so besser«, sagte er. Seine Stimme war nur ein Flüstern. Dann ging er vorsichtig hinaus.
    Später wurde es Maria klar, daß Marco versucht hatte, über seine Kapitulation zu verhandeln. Er hatte eine Abfindung von der Runaway herausschlagen wollen. Sie war nur zu müde gewesen, um es zu merken.
    Sie sah ihn nicht wieder.

    Die hohen ge-Werte hatten sie stärker mitgenommen, als sie gedacht hatte. Nach der anfänglichen Aufwallung überschäumender Lebensfreude beim Fliegen verbrachte sie die ersten zwei Tage größtenteils in einem Null-ge-Schlafsack; den Rest der Zeit schlang sie Essen in sich hinein. Die Elektronenwelt führte einen schläfrigen Tanz in ihrem Kopf auf und beruhigte sie. Ihr Rückgrat knackte jedesmal, wenn sie sich streckte oder den Kopf drehte. Schließlich begab sie sich ins Bahìa und bestellte einen Ballon Granatapfelsaft. Schwatzende Mutantos – Shooter, Syster, Bergleute – sprangen im blaßrosa Licht der Bar herum; ihre unteren Ellbogen steckten in den Achselhöhlen der oberen Arme. Eine Gruppe war gemeinsam an einen Tisch geschnallt und hatte die Köpfe zusammengesteckt. Sie hielten sich an den paar Drinks fest, die sie sich leisten konnten. Ihre Köpfe nickten zu einer melancholischen Dolores-Ballade. Maria bekam mit, daß ihr Schiff gerade beschlagnahmt worden war, um ihre Schulden zu tilgen. Die Shooterfamilie würde auseinanderbrechen, wenn sich die einzelnen Mitglieder woanders Arbeit suchten, und das Schiff würde ebenfalls zerlegt werden. Die Singularität würde an einen Hiliner verkauft werden.
    Sie konnte ihr Schiff kaufen, dachte Maria, und es ihnen zurückgeben. Sie konnte auch diese Bar samt allen Gästen darin kaufen. Vielleicht sogar die ganze Station.
    Ubu und sie operierten jetzt auf dem Niveau einer kleinen Hiline-Gesellschaft. Im Gegensatz zu den Leuten hier hatten sie Boden unter den Füßen. Der relative Wohlstand von De Suarez Expressways hatte genügt, um Marcos Clan von anderen Shootern abzusondern, und Ubu und Maria verfügten
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