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Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht
Autoren: Lauren Kate
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Wiese hatten die gewellten silbernen Altäre einst einen Bogen über dem Kopf des Throns gebildet. Sie waren wieder dort, wo sie hingehörten: Arriane rechts von den Schultern des Throns, und Annabelle dicht über dem Boden neben dessen rechter Hand.
    In dem Raum rings um den Thron erstrahlten helle Lücken. Luce erinnerte sich, zu welchem Altar Cam immer geflogen war, welcher Roland gehörte und welcher Daniel. Ihr fielen kurz die Plätze von Molly und auch von Steven vor dem Thron wieder ein – sie waren zwar keine Erzengel, aber Engel, die mit einer Verehrung von der Wiese aus glücklich waren.
    Schließlich sah sie den Platz von Luzifer und ihren eigenen Sitz, ihre zusammengehörigen silbernen Altäre auf der linken Seite des Throns. Ihre Flügel kribbelten. Es war alles so klar.
    Die anderen gefallenen Engel – Roland, Cam, Steven, Daniel und Luzifer – traten nicht vor, um den Thron anzubeten. Luce fühlte sich hin- und hergerissen. Die Verehrung des Throns war etwas Natürliches, es war das, wozu Lucinda erschaffen worden war. Aber irgendwie konnte sie sich nicht bewegen. Der Thron wirkte weder enttäuscht noch überrascht.
    »Wo ist der Sturz, Luzifer?« Beim Klang dieser Stimme wollte Luce sich auf die Knie fallen lassen und beten.
    »Nur Gott kann das sagen«, knurrte Luzifer. »Es spielt keine Rolle. Vielleicht wollte ich es letzten Endes ja doch nicht.«
    Der Thron zwirbelte den silbernen Stab in den Händen und bohrte, wo die Spitze die Erde berührte, ein schlammiges Loch. Eine Ranke aus silberweißen Lilien schoss empor und wand sich um den Stab. Der Thron schien es nicht zu bemerken. Die Gottheit richtete ihre blauen Augen auf Luzifer, bis er seine blauen Augen hob und den Blick erwiderte.
    »Die beiden ersten Feststellungen sind zutreffend«, sagte der Thron, »und bald wirst du auch von der letzten überzeugt sein. Meine Nachsicht hat berühmte Grenzen.«
    Luzifer begann zu sprechen, aber der Thron wandte den Blick von ihm ab, und er versetzte der Erde frustriert einen Tritt. Sie öffnete sich unter ihm, Lava blubberte hervor und kühlte ab, ein persönlicher Vulkan.
    Eine kleine Geste des Throns ließ sie alle aufmerken. »Wir müssen uns mit dem Fluch von Lucinda und Daniel beschäftigen«, sagte sie.
    Luce schluckte hörbar und spürte, wie sich vor Schreck ein flaues Gefühl in ihrem Magen breitmachte.
    Aber die phosphoreszierenden Augen der göttlichen Frau waren freundlich, als sie sich eine silbergoldene Haarsträhne hinters Ohr schob. Sie lehnte sich auf ihrem Thron zurück und ließ den Blick über die Versammlung schweifen. »Wie ihr wisst, ist die Zeit für mich gekommen, diesen beiden erneut eine Frage zu stellen.«
    Alle verstummten, selbst der Wind.
    »Lucinda, wir werden mit dir anfangen.«
    Luce nickte. Die Ruhe ihrer Flügel stand in starkem Kontrast zu ihrem klopfenden Herzen. Es war ein seltsam sterbliches Gefühl, und es erinnerte sie daran, wie sie in der Schule zum Direktor gerufen worden war. Sie näherte sich mit gesenktem Kopf dem Thron.
    »Du hast deine Leidensschuld im Laufe dieser letzten gut sechstausend Jahre beglichen …«
    »Es war nicht nur Leiden«, sagte Luce. »Es waren schwierige Zeiten, aber« – sie sah die Freunde an, die sie gewonnen hatte, sah Daniel, sogar Luzifer an – »es gab auch viel Schönes.«
    Der Thron schenkte Luce ein neugieriges Lächeln. »Du hast auch die Bedingungen erfüllt, deine Natur ohne fremde Hilfe zu entdecken – dir selbst treu zu sein. Würdest du sagen, dass du deine Seele kennengelernt hast?«
    »Ja«, sagte Luce. »Gründlich.«
    »Du bist jetzt mehr Lucinda, als du es je gewesen bist. In jede Entscheidung, die du triffst, fließt nicht nur das Wissen mit ein, das du als Engel mitbringst, sondern auch das Gewicht von siebentausend Jahren in der Schule des Lebens in jedem Zustand des Menschseins.«
    »Meine Verantwortung macht mich demütig«, erwiderte sie mit einer Wortwahl, die überhaupt nicht nach Luce Price klang, sondern die ganz Lucinda entsprach, ihrer wahren Seele.
    »Dir ist vielleicht zu Ohren gekommen, dass deine Seele in diesem Leben ›zu haben‹ ist?«
    »Ja. Das habe ich gehört.«
    »Und du hast vielleicht auch etwas über ein Gleichgewicht zwischen den Engeln des Himmels und den Streitkräften von Luzifer gehört?«
    Luce nickte langsam.
    »Und so fällt dir die Frage einmal mehr zu: Wird es der Himmel oder wird es die Hölle sein? Du hast deine Lektionen gelernt und bist jetzt um vierhundert Leben
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