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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes
Autoren: Jo Zybell
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unpersönliche blaue Titanglasgesicht des Roboters. Dessen Augen leuchteten orange. »Warum bist du da so sicher, Merican?« erkundigte Heinrich sich in der seinesgleichen eigenen Freundlichkeit. Ein kalter Schauer rieselte Bergen über den Nacken. Darüber erschrak er fast heftiger, als über die ungewöhnliche Frage des Roboters. Ich muß ihn überprüfen lassen , dachte er, Stein muß ihn überprüfen, er muß ihn neu programmieren, wenn es gar nicht anders geht. »Wahrscheinlich denkst du jetzt daran, Roderich Stein an mir herumschrauben zu lassen, nicht wahr, Merican?« Bergen hielt den Atem an. »Laß solche Gedanken lieber bleiben. Versuch meine Frage zu beantworten: Was macht dich so sicher?«
    War das eine versteckte Drohung? Aus schmalen Augen belauerte Bergen die Maschine. Er fühlte sich plötzlich sehr unwohl. »Hellas und Rubicon Bergen haben dich konstruiert und gebaut, HR 1! Du bist ein Geschöpf meiner Eltern! Du bist Eigentum meiner Sippe, also …!«
    »Woher weißt du, daß deine Eltern mich entwickelt und gebaut haben, Merican?« Die Stimme des Roboters war die Stimme eines Lächelnden. »Warst du dabei?« Bergen runzelte die Stirn. »Siehst du, Merican? Du warst nicht dabei. Dein Großvater hat es dir erzählt.«
    »Ich war noch ein kleiner Junge, als meine Eltern im Hyperuniversum verschollen …«
    »… vier Jahre alt, richtig. Und du warst noch nicht einmal geboren, als deine Eltern und ich uns begegneten.«
    »Bitte?« Bergens Stimme brach jetzt. Er trat einen Schritt zurück.
    »Während ihrer gemeinsamen Studienzeit auf New Cuba haben sie mich im Rahmen ihrer Promotion entwickelt und in den Laboratorien der Universität von New Cuba City gebaut – diese Version hatten wir vereinbart, und diese Version haben sie jedem erzählt, der es wissen wollte. Auch Cayman Bergen, meinem zweiten Herrn und deinem Großvater.«
    »Was … was erzählst du mir da, HR 1?«
    »Nenne mich nicht so. Ich heiße Heinrich. Wenigstens daran erinnere ich mich noch.«
    »Wenigstens daran …?« Bergen hatte plötzlich das Gefühl, mit einer Zeitbombe zu sprechen, mit einem Psychopathen. Ein falsches Wort, und er würde anfangen Amok zu laufen. »Und woran erinnerst du dich nicht mehr, Heinrich?«
    »An fast nichts, Merican. Die Zeit, bevor deine Eltern mich aus meinem brennenden Schiff retteten, ist eine einzige Datenwüste mit nur ganz wenigen Oasen.«
    »Retteten?« In Mericans Kopf drehte sich ein Karussell. »Aus deinem brennenden Schiff …?« Seit achtzehn Jahren begleitete der Roboter ihn auf Schritt und Tritt. Und nun das … »Du willst mir also erklären, du hattest ein Leben vor meinen Eltern?« Behutsam tastete er sich voran.
    »So ist es, Merican. Irgend jemand hat versucht, meine Zentraldateien zu löschen, und zum Teil ist es ihm gelungen.«
    »Wer? Meine Eltern?«
    »O nein, Merican. Ohne sie hätte ich meine Identität vollkommen verloren.«
    »Wer dann?«
    Schweigend sahen sie einander an. Der Roboter antwortete nicht. »Kommunikator an Kommandant, wir haben Neuigkeiten über die geflohenen Sträflinge und den Mann von Doxa IV.«
    »Danke. Ich komme.« Merican blickte in das Viquafeld unter der Sichtkuppel. Man sah einen Ausschnitt der Schiffskarawane, die sich rund um den Kernverband des Höchstgeehrten gebildet hatte. »Irgend etwas stimmt nicht mit dieser Flotte«, sagte er nachdenklich »Etwas, das dich veranlaßt hat, deine Sicherheit über meine zu stellen.«
    »Sag doch gleich: ›Etwas, das dir Angst macht‹. Sprich es doch einfach aus.«
    Roboter haben keine Gefühle , hätte ihm Bergen fast entgegnet. Er schluckte den Satz hinunter. Hatte er wirklich je darüber nachgedacht, ob Heinrichs Quantenhirn so etwas wie Gefühle hervorbringen konnte? Als selbstverständlich hatte er es immer hingenommen, daß er funktionierte. Wäre Heinrich ein Mensch, hätte er seine zuverlässige Funktion vielleicht als Treue aufgefaßt. Konnten Motive wie Treue und Anhänglichkeit die Funktion eines Roboters denn beeinflussen? Und falls es so wäre: Konnte man sein Verhalten dann noch als Funktion bezeichnen …? Wie er auf Bachs Fugen abgefahren war …
    Mit einer Mischung aus Neugier und Sorge betrachtete Bergen die blaue Gestalt aus kristallinem Titanglas. Stein mußte die Maschine überprüfen, kein Weg führte daran vorbei. »Wir gehen in die Zentrale.« Der kleine Subgeneral wandte sich zur Tür um. »Und ich erwarte, daß du mich morgen zum Schiff dieser Malerin begleitest.«
     
    *
     
    Venus zog
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