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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Autoren: Dan Simmons
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bekommen, wenn ich in den Sekunden vor dem Aufprall in das gleichgültige Gesicht von Ket Rosteen unter der Kapuze der Tempelritter sah.
    Wir spürten den Eintritt in die Erdatmosphäre nicht. Erst als das Sternenfeld in dem Kreis der Öffnung über uns verschwand und blauem Himmel wich, wurde uns klar, dass der Eintritt erfolgreich gewesen war. Wir spürten die Landung gar nicht. Eben standen wir noch schweigend beisammen und warteten, und dann schaute Ket Rosteen von seinen Displays und Monitoren auf, flüsterte seinen geliebten Ergs etwas über die Kom-Leitungen zu und sagte zu uns: »Wir sind unten.«
    »Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, wo Sie landen sollen«, sagte ich und dachte an die Wüste, wo Taliesin gewesen war. Das musste der Ort sein, wo Aenea am glücklichsten gewesen war; wo sie wollte, dass ihre Asche – von der ich wusste, dass es ihre war, auch wenn ich es immer noch nicht glauben wollte – im warmen Wind von Arizona verstreut wurde.
    Ket Rosteen sah zu dem schwebenden Totenbett.
    »Verdammt, ich habe ihm gesagt, wo er landen soll«, krächzte der Stimmsynthesizer des alten Dichters. »Wo ich geboren wurde. Wo ich zu sterben gedenke. Würdet ihr jetzt bitte alle eure lahmen Ärsche in Bewegung setzen und mich hier rausrollen, damit ich den Himmel sehen kann?«
    A. Bettik zog die Stecker aller Monitore von Silenus heraus, abgesehen von den notwendigsten Lebenserhaltungsystemen, und band alles mit demselben EM-Repulsorfeld zusammen. Während wir auf dem Baumschiff waren, hatten die Androiden und die Mannschaftsklone der Ousters und die Tempelritter eine lange, flache Rampe vom Turmzimmer auf den Boden hinunter gebaut und dann einen Weg zum Rand der Stadtscholle und darüber hinaus gepflastert. Das alles war unversehrt gelandet, fiel mir auf, als wir das schwebende Krankenbett ins Sonnenlicht und nach unten begleiteten. Als wir das Ebenholzraumschiff des Konsuls passierten, sagte ein Lautsprecher auf der Hülle des Schiffs: »Leben Sie wohl, Martin Silenus. Es war eine Ehre, Sie gekannt zu haben.«
    Es gelang der uralten Gestalt im Bett, einen Skelettarm zu heben und recht fröhlich zu winken. »Wir sehen uns in der Hölle, Schiff.«
    Wir verließen den Boden der Stadt, traten von der befestigten Rampe hinunter und ließen den Blick über Wiesen und ferne Klippen schweifen, die sich nicht sehr von den Mooren meiner Kindheit unterschieden, abgesehen von der Baumgrenze eines Waldes rechts von uns. Schwerkraft und Luftdruck waren so, wie ich sie von unserem vierjährigen Aufenthalt auf der Erde in Erinnerung hatte, auch wenn die Luft hier wesentlich feuchter war als in der Wüste.
    »Wo sind wir?«, fragte ich niemanden im Besonderen. Ket Rosteen war im Turm geblieben, nur der Androide, der sterbende Dichter, Pater de Soya und ich waren draußen; wie es aussah, im morgendlichen Sonnenschein eines Frühlingstags der nördlichen Hemisphäre.
    »Wo das Anwesen meiner Mutter lag«, flüsterte Martin Silenus’ Synthesizer. »Im Herzen des Herzens des nordamerikanischen Reservats.«
    A. Bettik, der die Anzeigen der medizinischen Geräte überprüft hatte, sah auf. »Ich glaube, in der Zeit vor dem Großen Fehler nannte man dies Illinois«, sagte er. »Das Zentrum des Staates, glaube ich. Wie ich sehe, sind die Prärien wieder da. Diese Bäume sind Ulmen und Kastanien... wenn ich mich nicht irre, waren sie im einundzwanzigsten Jahrhundert hier ausgestorben. Der Fluss hinter den Klippen fließt Richtung Südsüdwest in den Mississippi. Ich glaube, Sie haben... äh... einen Abschnitt dieses Flusses bereist, M. Endymion.«
    »Ja«, sagte ich und musste an das zerbrechliche kleine Kajak, den Abschied in Hannibal und Aeneas ersten Kuss denken.
    Wir warteten. Die Sonne stieg höher. Wind beugte das Gras. Irgendwo jenseits der Baumreihe schimpfte ein Vogel, wie es nur Vögel können. Ich sah Martin Silenus an.
    »Junge«, sagte der Sprachsynthesizer des alten Dichters, »wenn du dir einbildest, dass ich auf ein Stichwort hin sterbe, nur damit du keinen Sonnenbrand bekommst, vergiss es. Ich hänge nur noch an den Fingernägeln, aber diese Nägel sind alt und hart und lang.«
    Ich lächelte und berührte seine knochige Schulter.
    »Junge?«, flüsterte der Dichter.
    »Ja, Sir.«
    »Du hast mir vor Jahren gesagt, dass deine alte Großmutter – Grandam hast du sie genannt – dich die Cantos auswendig lernen ließ, bis sie dir zu den Ohren rausgekommen sind. War das wahr?«
    »Ja, Sir.«
    »Kannst du dich an die
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