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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Autoren: Dan Simmons
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Lebenserhaltungsschläuchen und Kanülen. »Ich dachte schon, ich musste persönlich hinausgehen und dich von dort holen, wo du herumgelungert hast wie ein verdammter Stützeempfänger des zwanzigsten Jahrhunderts.«
    Das ausgemergelte Ding in dem Schwebebett im Mittelpunkt der ganzen Maschinen, Monitore, Atemgeräte und Androidenschwestern hatte keine große Ähnlichkeit mehr mit dem durch Poulsen-Behandlungen verjüngten alten Mann, vor dem ich mich keine zehn Jahre meiner und zwei wache Jahre seiner Zeit zuvor verabschiedet hatte. Es war ein Leichnam, der sich weigerte, begraben zu werden. Sogar seine Stimme war eine elektronische Rekonstruktion seines subvokalisierten Keuchens und Krächzens.
    »Hast du genug geglotzt, oder willst du noch eine Karte für das Gruselkabinett lösen?«, fragte der Stimmsynthesizer über dem Kopf der Mumie.
    »Tut mir Leid«, murmelte ich und kam mir vor wie ein ungezogenes Kind, das beim Gaffen erwischt worden war.
    »Von ›Tut mir Leid‹ wird die Bulldogge nicht satt«, sagte der alte Dichter. »Wirst du mir Bericht erstatten oder einfach da rumstehen wie der eingeborene Hinterwäldler, der du bist?«
    »Bericht erstatten?«, sagte ich, breitete die Arme aus und legte den Textschiefer auf ein Tablett. »Ich denke, Sie wissen das Wesentliche.«
    »Das Wesentliche?«, brüllte der Synthesizer, der den Schwall von Röcheln und Husten übersetzte. »Was zum Teufel weißt du schon vom Wesentlichen, Junge?« Die letzten Androidenschwestern hatten sich verkrümelt.
    Ich verspürte einen Anflug von Zorn. Vielleicht hatte das Alter den Verstand des alten Mistkerls genauso zersetzt wie seine Manieren, falls er je Manieren gehabt hatte. Nach einer Minute des Schweigens, das nur vom Rascheln der mechanischen Blasebälge unter dem Bett unterbrochen wurde, die Luft in die nutzlosen Lungen des sterbenden Mannes pumpten, sagte ich: »Bericht erstatten? Na gut. Das meiste von dem, was Sie verlangt haben, ist erledigt, M. Silenus. Aenea hat die Herrschaft von Pax und Kirche gebrochen. Das Shrike scheint verschwunden zu sein. Das Universum der Menschen ist für alle Zeiten verändert.«
    »Das Universum der Menschen ist für alle Zeiten verändert«, äffte mich der alte Dichter nach, und der Synthesizer bemühte sich, das sarkastische Falsett wiederzugeben. »Habe ich dich... oder das Mädchen, was das betrifft... je darum gebeten, das verdammte Universum für immer zu verändern?«
    Ich dachte an unsere Unterhaltung hier vor einem Standardjahrzehnt zurück. »Nein«, sagte ich schließlich.
    »Na also«, fauchte der alte Mann. »Deine Gehirnzellen kommen allmählich wieder in Bewegung. Heiliger Strohsack, Junge, dieses Schrödinger-Katzenklo hat dich noch dümmer gemacht, als du ohnehin schon warst.«
    Ich blieb stehen und wartete. Vielleicht würde er einfach leise sterben, wenn ich lange genug wartete.
    »Was habe ich denn von dir verlangt, bevor du aufgebrochen bist, Wonderboy?«, wollte er im Tonfall eines wütenden Schulmeisters wissen.
    Ich versuchte, mich an andere Einzelheiten zu erinnern, abgesehen von seiner Forderung, dass Aenea und ich die eiserne Herrschaft des Pax brechen und eine Kirche zu Fall bringen sollten, die Hunderte Welten beherrschte. Das Shrike... nun, das hatte er nicht gemeint. Indem ich die Bindende Leere anzapfte statt meines eigenen unzuverlässigen Gedächtnisses, konnte ich schließlich seine letzten Worte finden, bevor ich mit der Hawking-Matte losgeflogen war, um das Mädchen zu retten.
    »Mach dich auf den Weg«, hatte der greise Dichter gesagt. »Sag Aenea alles Liebe von mir. Und sag ihr, dass Onkel Martin darauf wartet, die Alte Erde zu sehen, bevor er stirbt. Sag ihr, der alte Furz brennt darauf, dass sie ihm der Substanzen und der Formen symbolische Essenz und ihre Normen erklärt.« Die Essenz der Dinge.
    »Oh«, sagte ich laut. »Tut mir Leid, dass Aenea nicht hier ist, um mit Ihnen zu reden.«
    »Mir auch, Junge«, flüsterte der alte Mann mit seiner eigenen Stimme.
    »Mir auch. Und bring ja diese Thermoskanne voll Asche nicht herauf, die der Priester bei sich trägt. Das habe ich nicht gemeint, als ich gesagt habe, dass ich meine Nichte noch einmal sehen möchte, bevor ich sterbe.«
    Ich konnte nur nicken und spürte den Schmerz in Hals und Brust.
    »Was ist mit dem Rest?«, wollte er wissen. »Wirst du meine letzte Bitte erfüllen, oder wirst du einfach mit deinem dicken Schülerdaumen in deinem dummen Arsch hier stehen bleiben und mich sterben
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