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Endstation Wirklichkeit

Endstation Wirklichkeit

Titel: Endstation Wirklichkeit
Autoren: Stephan Klemann
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Hunger und werde in mein Zimmer gehen. Ich will früh ins Bett und muss noch was erledigen. Bis morgen früh!“
    Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und ging, ohne ihre Antwort abzuwarten, hinauf in den ersten Stock. Die besorgten Blicke, die sie ihm hinterherschickte, konnte er förmlich auf sich spüren.
    In seinem Zimmer griff David nach dem Buch, das er zurzeit las, und legte sich auf das Bett. Es gelang ihm jedoch nicht sich auf die Zeilen zu konzentrieren. Er nahm die Worte zwar wahr, doch den Sinn und ihre Bedeutung registrierte sein Gehirn nicht. Seine Gedanken kreisten wieder einmal um seine Zukunftspläne, seine Träume und Fantasien. Das Gespräch mit seiner Mutter war noch zusätzlich wie Öl im Feuer seiner Sehnsucht gewesen. Er fragte sich zum wiederholten Mal, wie lange er es noch hier aushalten konnte. Oder vielmehr: wie lange er es noch aushalten wollte. Nur eins wusste er ganz genau: Ohne Alan ginge er nicht aus diesem Ort fort. Deswegen würde er wahrscheinlich alt und grau werden, bevor sein Traum wahr würde. Denn Alan war hier zufrieden. Er wollte nicht weg. Ihn zog es nicht in die Stadt; er war nicht erfüllt von dem Wunsch, der Spießigkeit des Landes zu entfliehen. Er war der typische Junge vom Land, der sich hier wohlfühlte. Für ihn war es kein Problem, in dieser Hinterwäldlichkeit ihr Anderssein und ihre Liebe zueinander verbergen zu müssen. Alan war glücklich mit seinem Leben, und er war nicht bereit, das zu ändern.
     
    ***
     
    „Es tut mir leid, wenn ich dir auf die Nerven gehe. Aber das ist dein Problem! Ich kann nichts dafür, wenn du kein Verständnis dafür hast, dass ich raus will! Wenn du zufrieden bist, bitte schön! Aber mich ödet das alles an. Hier ist alles so ... so muffig, so eng, so kleinkariert.“ David war ziemlich aufgebracht. Alan konnte nicht verstehen, wie sehr er sich danach sehnte, aus seinem Leben auszubrechen, einfach alles hinter sich zu lassen. Wie konnte er nur so gleichgültig mit seinen Träumen umgehen?
    Wenn er schon nicht wusste, wie er das realisieren sollte, ohne den Menschen, den er liebte, zu verlieren, so wollte er doch wenigstens davon träumen und sich in Gedanken in dieses andere Leben versetzen dürfen. So konnte er zumindest im Geiste die Befriedigung finden, die ihm das Leben auf dem Lande verwehrte. Die Flucht aus der Realität wollte er sich nicht nehmen lassen. Auch nicht von Alan.
    „Ich kann einfach nicht verstehen, dass du an nichts anderes mehr denkst, David. Wir haben kaum noch ein anderes Gesprächsthema. Du schwärmst nur noch vom Leben in der Stadt. Ich versuche ja zu begreifen, warum du unbedingt wegwillst. Aber ich bin glücklich und zufrieden, gerade weil mein Leben hier stattfindet. Ich liebe dich, und ich bin unendlich froh, dass wir uns gefunden haben. Doch ich habe Angst, dich zu verlieren.“
    David sah sich verstohlen um. Sie waren auf der Geburtstagsparty eines Freundes, und niemand der Anwesenden wusste von ihrer Beziehung. Es war und sollte ihr Geheimnis bleiben. Nachdem er sich versichert hatte, von niemandem beobachtet zu werden, legte er seine Hand auf Alans Oberschenkel, wo er sie eine Weile beließ. „Glaub’ mir, ich will dich auch nicht verlieren. Nur deshalb bin ich ja noch hier. Alleine will ich nicht von hier weggehen. Nicht ohne dich!“
    Alan seufzte schwer. Er war sich nicht sicher, wie lange David noch der Versuchung widerstehen konnte. Die Vorstellung, dass er ihn deswegen einmal verlassen würde, war unerträglich.
    Als David heute Abend von Phil erzählt hatte, war ihm endgültig der Kragen geplatzt. Phil hatte vor zwei Jahren seinen Traum vom Leben in der – wie er es nannte – wirklichen Welt realisiert.
    „Das glaube ich dir ja auch, David, aber es verletzt mich, wenn du immer wieder ständig alles, was mir etwas bedeutet, was für mich wichtig ist und mein Leben darstellt, abwertest und in den Dreck ziehst. Ich bin ein Teil dieses Dorfes, das du so verteufelst. Ich bin Teil dieses Lebens hier! Und wenn du mich liebst, liebst du das alles ebenfalls.“
    David holte tief Luft und seufzte übel gelaunt. „Oh nein, Alan! So einfach kannst du es dir nicht machen! Ich liebe dich, und wie ich dir bereits gesagt habe, möchte ich dich nicht verlieren. Aber du machst es dir zu einfach. Ich liebe dich und nicht das Dorf, die Leute oder das langweilige Leben hier. Du kannst nicht einfach behaupten, dass dich zu lieben auch gleichzeitig heißt, alles hier zu lieben.“
    Alan stand wutentbrannt
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