Endstation bei Al Wheeler
Sankt-Nikolaus-Kostüm.
»Nicht, solange Sie gut darauf
achten«, sagte er leichthin. »Aber kommen Sie mir bloß nicht damit am Weihnachtsabend
den Kamin heruntergekrochen, Sankt Wheeler, sonst mache ich unter Ihrem Hintern
Feuer an !«
»Machen Sie sich deshalb keine
Gedanken«, sagte ich verächtlich. »Sie werden sich ohnehin an der Spitze seines
Gefolge befinden und den Schlitten ziehen, wie das jedes rotnasige Rentier mit
Selbstachtung tun sollte !«
»Himmel, Lieutenant !« sagte Polnik sehnsüchtig.
»Meinen Sie, ich könnte da mitkommen? Ich habe mir schon immer gedacht, daß
dieser Bursche, der Sankt Nikolaus, den Vogel abgeschossen hat .«
»Wieso ?« fragte ich, denn der Gedanke, er könnte an die kleinen Kinder der Umgegend
Süßigkeiten verteilen wollen, war ein schlechthin makabrer Gedanke.
»All die schönen Frauenzimmer,
Lieutenant!« Er schluckte gefühlvoll. »Da sitzen sie und warten auf den alten
Kerl mit dem Vollbart, daß er durch ihre Kamine herabkommt — und haben ihre
Strümpfe ausgezogen und so .«
NEUNTES KAPITEL
A us Gedankenlosigkeit atmete ich
tief ein und sog meine Lunge mit Eau-de-Cologne-Duft voll. Dies
veranlaßte mich flüchtig zu der Überlegung, was wohl aus einem Schwulen würde,
der unter Allergien leidet: Ob er dann automatisch dazu verdammt würde,
heterosexuell zu sein? Louis untersuchte das Sankt-Nikolaus-Kostüm sorgfältig;
wobei seine zarten Finger so weit wie möglich vermieden, mit der groben roten
Wolle in Berührung zu kommen.
»O ja!« Er lächelte mir
vertraulich zu. »Das ist das Kostüm, das Miss Malone sich von mir geliehen hat,
Lieutenant .«
»Sehr schön«, sagte ich.
»Und was hat das ungezogene
Mädchen damit angefangen ?« Er kicherte schrill. »Ich
kann mir nicht vorstellen, daß sich jemand in dieser Zwangsjacke amüsiert,
abgesehen natürlich von den großen Stiefeln .«
»Gibt es diese Kostüme in
verschiedenen Größen ?« fragte ich.
»Nur klein, mittel und groß.
Für Jungens und für erwachsene Männer, wissen Sie. Wir
müssen schließlich auch die Jungens, die in den Schulen bei Weihnachtsspielen
mitwirken, versorgen .« Das Funkeln in seinen Augen
entsprach dem, was man sonst bei Männern zu sehen pflegt, die von Nachtrevuen
erzählen.
»Was ist das hier ?«
»Mittlere Größe«, sagte er
prompt. »Ich erinnere mich, daß ich mir nicht sicher war, welche Größe sie
brauchte — normalerweise leihen sich Frauen so etwas nicht und ich mußte
ihr Maß nehmen. Es war eine scheußliche Aufgabe, und der Gedanke daran
verursacht mir noch heute Übelkeit. Wie ich dieses Maßband um ihre«, er
schauderte, »Brust legen mußte — äh !«
»Das Leben ist hart«,
pflichtete ich mitfühlend bei. »Glauben Sie, das Kostüm könnte sich auch ein
Mann ausleihen, der etwa hundertachtzig Pfund wiegt und ein wenig über ein
Meter dreiundachtzig groß ist ?«
»Nun, natürlich könnte er es
sich ausleihen .« Louis lachte entzückt. »Aber
ich bezweifle sehr, daß er hinein kommen würde, alter Darling. Im übrigen handelt es sich auch noch
um eine der Mittelgrößen, die kleiner ausgefallen ist — es ist keine exakte
Wissenschaft. Wissen Sie ?«
Er nahm die Tunika vom
Ladentisch und streckte sie mir hin. »Versuchen Sie’s selber, Lieutenant.«
Ich zog meine Jacke aus und
versuchte, in das Ding hineinzuschlüpfen. Es war ausreichend Platz für das
große Kissen, das ich mir hätte vorn hineinstopfen müssen; aber die Ärmel
reichten nur bis zur Hälfte über die Unterarme, und die Schulterweite war
eindeutig zu knapp. Ich gab den Versuch auf und zog die Tunika wieder aus.
»Ich verstehe genau, was Sie
meinen, Lou«, sagte ich, als ich das Ding auf den Tisch zurücklegte. »Vielen
Dank.«
»Ich stehe jederzeit zu Ihrer
Verfügung«, sagte er beglückt. »Kann ich mein Kostüm jetzt zurück haben ?«
»Noch nicht«, sagte ich. »Es
wird als Beweisstück gebraucht .«
»Nun, das macht mir nichts
weiter aus«, er kicherte, »sobald Sie mir feierlich versprechen, mir all die intimen Details zu erzählen, wenn alles vorüber ist, alter Darling .« Die langbewimperten Augenlider klappten erwartungsvoll auf und zu. »All diese
hübschen schmutzigen Details, welche die Zeitungen nicht drucken können, weil es die Kinder erregen könnte. Wissen Sie ?«
»Ich weiß«, knurrte ich. »Und
wenn ich je so etwas wie Sie im Abflußrohr meiner
Küche finden sollte, Lou, werde ich es mit Insektenspray bespritzen .«
Er plusterte sich bei
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